GEOS für den C=64

Aufsatz im Rahmen der Übung zu „Mensch-Maschine-Interaktion“, WS 2004/05

Drei Jahre nach Einführung des „Commodore 64“ wurde 1985 von „Berkeley Softworks“ (BSW) die Benutzeroberfläche GEOS – „Graphic Environment Operating System“ – veröffentlicht. Es lehnte sich stark an den damaligen Macintosh an, dem ersten erfolgreichen Heimrechner mit grafischer Oberfläche. GEOS musste zwar mit einer deutlich schwächeren Hardware-Plattform auskommen – der 8bittige C=64 hatte eine Taktfrequenz von nur einem knappen MegaHertz und mit 64kb Arbeitsspeicher gerade einmal ein Zehntel dessen, was genug für jeden ist. Dafür war der C=64 aufgrund des wesentlich geringeren Preises um einiges verbreiteter, weswegen man in einer grafischen Oberfläche für diesen viel Potential sah und diese sehr schnell weiterentwickelte.

GEOS war im Gegensatz zu MacOS kein Betriebssystem, sondern wie das später erschienene Windows nur eine grafische Oberfläche. Es hatte viele Funktionen und Elemente, die man schon von MacOS her kannte: Einfache Dialogboxen, Buttons und Pull-Down-Menüs. Dateien konnten mit Drag&Drop verschoben werden und in einen Papierkorb verschobene Dateien wiederhergestellt werden. Das Menü befindet sich wie bei MacOS am oberen Rand des „Desktops“ und variiert von Anwendung zu Anwendung. („deskTop“ war ursprünglich der Titel des Dateimanagers).

In den ersten Versionen gab es „Fenster“, wie wir sie heute kennen, nur in vagen Ansätzen: in der Mitte des Startbildschirms befindet sich ein „Dashboard“, das zwar den Fenstern ähnelt (es gibt eine Titelleiste mit dem Namen des aktuellen Laufwerks und einem Schließen-Button), aber weder verschiebbar noch in der Größe änderbar ist. In den Fenstern befindet sich der Inhalt des jeweiligen Datenträgers, also Programme sowie normale Dateien. Da das Dateisystem der C=64-Floppys von sich aus keine Verzeichnisse unterstützt, gab es anfangs auch unter GEOS keine Unterverzeichnisse. Das war aber auf Grund der ohnehin sehr begrenzten Speicherkapazität der Floppys kaum eine wirkliche zusätzliche Einschränkung. Die Standardansicht des Dateimanagers verwendet Icons für jede Datei. In das „deskTop“-Fenster passen nur acht Dateien auf einmal. Sind mehr als acht Dateien auf einem Datenträger, wird nicht gescrollt, sondern geblättert, indem man ein Icon am links unteren Rand anklickt. Man konnte nur vorwärtsblättern, wobei man von der letzten Seite aus wieder zur ersten kommt. Es ist aber auch möglich, die Icons auszublenden und nur die Dateinamen mit einigen Details wie Dateigröße anzuzeigen – wahlweise sortiert nach Dateiname, Größe oder Dateityp. In diesem Fall wird dann nach unten gescrollt, wenn die Dateien auf einer Seite keinen Platz mehr finden.

Gesteuert wurde GEOS im allgemeinen über ein Gerät, das am Joystick-Port hing; entweder über einen Joystick selbst, oder eine Maus, die einen Joystick emulierte.

Einen großen Reiz von GEOS machte aus, dass es bereits mit einem „What you see is what you get“-Editor ausgeliefert wurde (geoWrite) sowie mit einem Malprogramm (geoPaint), das aber zunächst in Schwarz-Weiß gehalten war. Texte sowie Bilder konnten zwischen Applikationen unter anderem per Drag&Drop ausgetauscht und schließlich auf einem Drucker ausgegeben werden. Mehrere Bitmap-Schriftarten waren bereits vorinstalliert, weitere ließen sich durch extra Schriftpakete nachinstallieren.

Die 1988 veröffentlichte Version 2.0, die unter anderem auch eine Rechtschreibkorrektur mitbrachte, wurde eine Zeitlang direkt mit dem C=64 im Bundle ausgeliefert, was für eine große Verbreitung sorgte. Weitere Applikationen, die mit der Zeit hinzu kamen, waren unter anderem ein Tabellen-Kalkulationsprogramm und eine Datenbank. Wegen der großen Beliebtheit und dem Kult-Status unter vielen Computer-Freaks wird das System auch heute noch weiter gepflegt – TCP/IP- und Modem-Treiber gibt es ebenso wie einen grafischen Browser („The Wave“, entwickelt im Jahr 2000).

Insbesondere letztgenannte Entwicklungen waren aber nur dadurch möglich, dass auch der C=64 hardwaremäßig weiterentwickelt wurde. Neben dem Nachfolgemodell C=128 gab es später auch fortschrittlichere Speichermedien als die Floppy (oder gar die alte Datasette). Noch wichtiger waren Speichermodule, mit denen man den C=64 über den User-Port erweitern konnte und noch später die externe CPU-Erweiterung „SuperCPU“, mit der man den C=64 mit bis zu 20MHz ausstatten konnte.

GEOS wurde stets dahingehend weiterentwickelt, auch diese neue Hardware zu unterstützen. Uns zwar aus gutem Grund: es mag zwar erstaunlich sein, was das System aus einem Standard-C=64 herausholt, doch die oft langen Ladezeiten von der Floppy waren extrem störend. Die Beschränkungen mussten ohnehin schon mit einer ganzen Reihe an Tricks umgangen werden – beispielsweise war das ganze System auf zwei Floppy-Disks verteilt, die man während dem Betrieb gelegentlich wechseln musste. Erst mit einer Speichererweiterung konnten nennenswert Daten gecached werden, was langsame Disketten-Zugriffe vermied. In Verbindung mit diesen Speichererweiterungen bot GEOS außerdem die Möglichkeit, Ramdisks anzulegen.

Was nicht bzw. nur eingeschränkt möglich war, ist Multi-Tasking. Der Grund dafür ist wohl in der Hardware zu suchen, die dafür schlichtweg nicht ausgereicht hätte. Einige kleine Tools bildeten dabei aber eine Ausnahme: Taschenrechner, Notizblock und Ähnliches konnten ab der Version 2.0 aus den meisten Anwendungen heraus kurzzeitig aufgerufen werden, ohne das ursprüngliche Programm zu beenden.

Einen großer Schritt nach Vorne war zumindest aus technischer Sicht die 1993 nur in Deutschland (von Markt&Technik) veröffentlichte Version 2.5: der Dateimanager „deskTop“ wurde durch „TopDesk“ ersetzt, der deutlich am Konzept der Fenster feilte: bis zu vier Fenster waren ab dann möglich, und diese auch vergrößerbar und verschiebbar. Außerdem wurden erstmals Unterverzeichnisse unterstützt – wenn auch auf eine recht kuriose Weise, die zu keinem anderen System kompatibel war. Auch TopDesk wird noch weiterentwickelt, und unterstützt (über einige Hardware-Tricksereien) auch aktuellere Geräte wie CD-ROMS, und ist inzwischen sogar farbig. Insbesondere in den letzten zehn Jahren haben sich die Weiterentwicklungen allerdings sehr stark aufgesplittet. Neben der genannten deutschen Version 2.5 (die im Kern eigentlich ein reguläres 2.0 war, das um einige Programme wie das eben genannte TopDesk aufpoliert war) gibt es mehrere parallele, voneinander unabhängige Weiterentwicklungen. Creative Micro Designs veröffentlichte 1996 die Erweiterung „gateWay“ (u.a. 2-Prozess-Multitasking) für den C=64/128, 1998 folgte „Wheels“ von Maurice Randall (Unterstützung für SuperCPU-Beschleunigung), 1999 kam von MegaCom das Upgrade „MP3“. Daneben wurde auch noch versucht, GEOS auf andere Hardwareplatformen zu portieren und dort weiterzuentwickeln. Neben einer Portierung für den Macintosh ist vor allem „PC-Geos“ erwähnenswert, das für den PC entwickelt wurde, und unter DOS lief. Die Tatsache, dass es den damaligen Windows-Versionen sogar überlegen war, hat freilich nicht genügt, um langfristig auf dem „feindlichen Boden“ MS-DOS zu bestehen. Dafür war ihm auf diversen mobilen Geräten ein etwas länger währender Erfolg beschert. Das ursprüngliche GEOS C=64 Version 2.0 ist seit einem knappen Jahr (Februar 2004) sogar kostenlos verfügbar – wenn auch weiterhin als proprietäre Software.

GEOS Screenshot 1

War GEOS für den C=64 nun ein Durchbruch oder gar eine „Revolution“, wie es von Fans manchmal betitelt wird? Nein, eher nicht. Man könnte es als ein „technisches Wunder“ bezeichnen, was GEOS auf den begrenzten Hardwarevoraussetzungen herausholte – eine Sparsamkeit, die man schon wenig später nur noch selten antraf. Trotzdem reichte dies in der Praxis nicht aus, um wirklich produktiv mit GEOS zu arbeiten, zumindest nicht auf dem handelsüblichen C=64/128. Insbesondere die langen Wartezeiten beim Laden von Floppy auch nach dem Start machten das Arbeiten zur Geduldsprobe. Noch ein weiteres Problem ergab sich aus den Floppys, in Verbindung mit der damals noch viel größeren Raubkopier-Problematik: Berkeley Softworks schaffte das Kunststück, die Floppys mit einem Kopierschutz auszustatten, der wirklich viele Jahre nicht geknackt wurde. Da die Datenträger aber wie alle anderen Floppys des C=64 extrem fehleranfällig waren, bedeutete dies trotz einer (ebenfalls anfälligen) beigelegten Sicherheitskopie, dass man schnell in der Situation war, das System nicht mehr booten zu können. Zwar gab es Umtauschmöglichkeiten, aber letztlich bedeutete die nicht vorhandene Möglichkeit, sich selbst Sicherheitskopien anlegen zu können, eine ständige Quelle für Unannehmlichkeiten und Ärgernisse. Konzeptionell bot GEOS auch wenig Neues; man orientierte sich eben sehr stark an MacOS. Insofern war GEOS nicht der große Durchbruch grafischer Oberflächen auf dem Massenmarkt, bot aber zumindest vielen, die sich damals keinen Mac leisten konnten, ein frühes Bild davon, was viel später dann wirklich große Verbreitung fand.

 

 

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