„Vom Obrigkeitsstaat zur Mitmachdemokratie“

Passend zur in München gerade wieder aufkommenden Diskussion über eine Informationsfreiheitssatzung fand im bayerischen Landtag am 9. Juli 2010 ein Diskussionspanel rund um Informationsfreiheitsrechte statt. Ausgerichtet wurde es von der grünen Landtagsabgeordneten Susanna Tausendfreund, es war aber mit Thomas Petri (Landesbeauftragter für Datenschutz), Josef Schmid (Vorsitzender der Münchner CSU-Fraktion), Peter Kveton (Journalist), Florian Roth (Münchner Grünen-Fraktion) und als Moderatorin Heike Mayer (Transparency International) überparteilich besetzt. Im Publikum waren etwa 40 Besucher, davon auffallend viele KommunalpolitikerInnen aus (im Vergleich zu München) kleineren Gemeinden.

Zuerst stellte Susanna Tausendfreund die grundsätzliche Problematik rund um die Informationsfreiheitsrechte vor. Allein in dieser Legislaturperiode wurden im CSU/FDP-dominierten Landtag bereits zwei Anträge auf Informationsfreiheitsgesetze abgelehnt (einer der SPD, einer der Grünen), ein weiterer der Freien Wähler werde gerade diskutiert. So lange es kein Gesetz dazu gibt, können einzelne Städte hier die Vorreiterrolle übernehmen und sich selbst entsprechende Satzungen auferlegen – eine Reihe von bayerischen Städten hat das bereits getan. Dabei fällt auf, dass die Initiative dazu von ganz unterschiedlichen Parteien ausgeht. Sie selbst hat Erfahrungen in Pullach damit gemacht, wo seit März 2009 eine solche Satzung gilt, mit ermutigenden Ergebnissen: die Behörden werden keinesfalls, wie oft befürchtet wird, mit Anfragen überhäuft. Allerdings gab es wohl Streitereien darüber, inwieweit die Satzungen auch für die kommunalen Betriebe gelte.

Dr. Thomas Petri konnte von seinen Erfahrungen in Berlin berichten: dort gibt es ein Informationsfreiheitsgesetz schon länger, das ganze habe sich schon gut eingespielt. Es gibt mit etwa 2000 Bürgeranfragen pro Jahr durchaus eine signifikante Anzahl an Anfragen, die aber auch noch tragbar sind. Beispiele für solche Anfragen: eine Familie erkundigt sich nach den Ergebnissen einer Asbest-Studie über ein Schulgebäude, in welches das Kind möglicherweise gehen soll; eine auf einem Gehweg verunglückte Bürgerin will wissen, ob bei der letzten Sicherheitsprüfung des Gehwegs alles mit rechten Dingen zugegangen ist; oder auch Anfragen nach den Privilegien von Landtagsabgeordneten.

Petri vertrat in seiner Position als Landesdatenschutzbeauftragter im weiteren Diskussionsverlauf die Datenschutzseite: Protokolle von Sitzungen oder gar Live-Übertragungen seien nur zulässig, wenn die betroffenen Stadträte dem zustimmen. Hier wird die kommunale Ebene gesetzlich anders gehandhabt als die Länder- und Bundesebene, da in den meisten Kommunen die Kommunalpolitik von rein Ehrenamtlichen erledigt wird. Zu beachten ist auch, dass in Stadtratssitzungen häufig über einzelne Firmen oder Privatpersonen gesprochen werde, was aus Datenschutzgründen dann nicht veröffentlicht werden dürfe. Der Einwand, dass eventuell unpässliche Äußerungen ihren Skandalcharakter gar nicht über das Protokoll entfalten bräuchten, da in den Vorderen Reihen der Sitzungen ohnehin bereits die Zeitungsreporter säßen, ändert an der rechtlichen Bewertung wohl nichts – hier müssten also andere gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Andererseits wurde angemerkt, dass kritische Tagesordnungspunkte ohnehin bereits in nicht-öffentlichen Sitzungen behandelt werden und einer Veröffentlichung der Protokolle öffentlicher Sitzungen unter diesem Gesichtspunkt nichts im Wege stehen sollte.

Peter Kveton, Mitglied des „Nerzwerk Recherche“ zur Förderung des investigativen Journalismuses, stellte die Sicht eines Journalisten auf das Thema dar. Er selbst hatte damit bereits in einem recht Aufsehen erregenden Fall zu tun, der „Olympiamark-Affäre (bei der sich die rot-grüne Stadtregierung wohl nicht gerade mit Ruhm bekleckerte). Auch in anderen Fällen, wenn beispielsweise die Landesregierung behaupte, endlich ein perfektes Transrapid-Sicherheitskonzept zu haben, ist es für Journalisten äußerst wichtig, das Konzept sehen um es dann auch beurteilen zu können.

Dr. Florian Roth gab einen Überblick über die Situation in München. Hier zieht sich das ganze ja auf nicht ganz nachvollziehbare Weise ziemlich hin. Im März diesen Jahres wurde es vertagt, um zunächst die Erfahrungen anderer bayerischer Gemeinden zu evaluieren; zum neuen Termin wurde es dann erneut vertagt, da noch nicht alle Antworten eingegangen seien. Es soll aber im Herbst endlich entschieden werden. Es klang so, als ginge es im Prinzip nur noch darum, nach Möglichkeit eine möglichst einstimmige Entscheidung aller relevanten Parteien zu bekommen; mit CSU, Grünen und FDP gebe es so oder so eine Mehrheit. Roth versicherte bei der Gelegenheit, die Zustimmung der Fraktion Die Grünen/rosa liste hinge nicht vom Koalitionspartner SPD ab.

Joseph Schmid stellte seine Sicht als CSU-Fraktionsvorsitzender dar und versuchte vor allem, die Sicht auf die CSU als monolithischen Block zu relativieren – auch in der CSU gebe es Lernprozesse, und er habe sich auch schon häufiger für Informationsfreiheit eingesetzt, beispielsweise als es um den Ausbau des RIS-Systems ging.

In der anschließenden Publikumsdiskussion wurden einige sehr interessante Punkte genannt:

  • Es gab bereits um die 70 Versuche in Bayern, Informationsfreiheitssatzungen zu installieren. Davon wurden 90% abgelehnt.
  • Städtische Betriebe stellen ein strukturelles Problem dar, eine „Flucht ins Privatrecht“. Sie obliegen nicht hinreichend der öffentlichen Kontrolle. In München gebe es über hundert kommunale Betriebe, die von gerade mal 80 Stadträten kontrolliert werden sollen. In einigen Fällen kommunaler Betriebe wurde wohl aus dem Aktiengesellschafts-Recht hergeleitet, dass das Firmen-Wohl vor dem Eigentümer-Wohl steht, was bei kommunalen Betrieben natürlich abwegig ist.
  • Ein Problem stellen auch geheime Verträge von Institutionen dar – es gebe welche, wo nicht nur der Inhalt geheim ist, sondern auch deren Existenz. Als Beispiel wurde das Abkommen zwischen der Staatsbibliothek und Google über die Digitalisierung des Bücherbestands genannt. In Berlin wurden solche Verträge untersagt, allerdings nur „grundsätzlich“, was wohl noch Schlupflöcher offen lässt.
  • Mehrere Gemeinderäte im Publikum ätzten gegen die aktuelle Situation, dass sie über ein Informationsfreiheitsgesetz schon allein deswegen froh seien, weil sie dann endlich auch mal selbst Akteneinsicht bekommen würden. Ein Besucher mutmaßte in diesem Zusammenhang auch, dass es gar keinen so großen Konflikt zwischen Bürgern und dem Staat an sich gebe, sondern vielmehr mit der Exekutive auf der ein und der Legislative und den Bürgern auf der anderen Seite.

Zum Schluss der Diskussion lud Heike Meyer Josef Schmid noch ein, die CSU könne doch nach den Grünen, der ÖDP und den Piraten auch dem Bündnis Informationsfreiheit in Bayern beitreten – eine nette Geste.

Im Anschluss an die Veranstaltung gab es noch ein Buffet, das ich einfach gesondert erwähnen muss, weil es wirklich sehr lecker war. 🙂

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