LAK Medien- und Netzpolitik: Treffen am 19. Juni

Am 19. Juni fand das zweite Treffen des im April gegründeten LAK Medien- und Netzpolitik statt. Wir trafen uns in Nürnberg, um mehr Mitglieder aus den nördlicheren Teilen Bayerns zu rekrutiert – eine Bestrebung, die zwar sicher wichtig und in der Durchführung auch richtig ist, bislang den großen Erfolg noch missen lässt. Mit Manfred vom Vorstand des KV Nürnbergs stieß aber immerhin ein Heimischer hinzu. Ebenfalls neu hinzu kam Sabine (die auch im Parteirat für unseren LAK zuständig ist) und Jean-Pol, dessen Begeisterungsfähigkeit mir schon auf dem PolitCamp in Berlin aufgefallen war. Insgesamt schwankte die Zahl der Anwesenden zwischen 9 und 11 (zwischenzeitlich war noch Ulrike Gote anwesend).

Der erste Themenschwerpunkt des LAKs, Qualitätsjournalismus, wurde eher kurz abgehandelt – Sascha (der „Leiter“ dieses Themenschwerpunkts) wird über die Mailingliste (oder die Mixxt-Gruppe) einen Vorschlag für das Vorgehen der Arbeitsgruppe schreiben, damit hier die Arbeiten richtig beginnen können. Mehrfach zur Sprache kamen die geplanten Leistungsschutzrechte für Verlage. Diese werden vom Arbeitskreis zwar mehrheitlich abgelehnt, jedoch ist die Diskussion hierzu bereits zu weit fortgeschritten, als dass sich der LAK hier noch gewinnbringend einbringen könnte.

Christian stellte anschließend das angepeilte Vorgehen im Themenschwerpunkt Medienbildung vor, was recht schnell in intensiven Diskussionen mündete. Einigkeit herrschte darin, dass hierbei nicht nur neue, sondern auch die traditionellen Medien von Bedeutung sind. Wichtig ist einerseits, Schüler zu unterrichten, als auch Lehrer eben dabei zu unterstützen. Als mögliche Funktionen der Medienbildung in der Schule wurde unter anderem genannt: Kritisches Hinterfragen von Medieninhalten, Vermitteln von Strukturwissen, Wertevermittlung.

Zwischendurch wurde recht intensiv über Google Street View diskutiert – genauer gesagt den Beschluss der Stadtversammlung des Münchner Kreisverbandes am 19. April (ich hatte dazu auch kurz etwas geschrieben) und vergleichbare Aktionen in anderen Instanzen der Grünen. Gerade der Teil des Beschlusses, dass die Stadt bei den eigenen Liegenschaften Einspruch erheben solle, wurde mehrfach als undurchdacht kritisiert.

Den Hauptteil der Sitzung stellte das Thema Urheberrecht da, zu dem Christian eine Fachanwältin einlud, die eine recht umfassende Einleitung in das Thema gab – angefangen von der Entstehung des Urheberrechts als Reaktion auf das Aufkommen des Buchdrucks, über die Unterschiede zwischen dem urheber-bezogenen Urheberrecht und dem eher utilitaristisch ausgerichteten anglo-amerikanischen Copyright, die Abgrenzung zwischen Urheberrech und Leistungsschutz und unterschiedlichen Urteilen hinsichtlich der minimalen Schaffenshöhe hin zur Rolle der Verwertungsgesellschaften. Einige interessante Thesen waren außerdem:

  • Dass über die GEMA/GVL eine pauschale Lizenzierung von Musik möglich ist (Kontrahierungszwang; was z.B. bei Filmen ja unmöglich ist), sei eher historisch gewachsen als tatsächlich so gewollt: zur Zeit der Gründung der GEMA machte der Verkauf der Noten noch den Hauptteil der Umsätze aus, die über die GEMA abgewickelten Rechte wurden allenfalls Zweitverwertung angesehen.
  • Die GEMA zieht bei Verwendung von Musikstücken in Videos zwar die Gebühren für die Urheber ein, hat aber i.a. nicht die Filmherstellungsrechte – es muss also zusätzlich eine Berechtigung des Urhebers her.
  • Das Konzept der Privatkopie ist stark an die Leermedienabgabe gekoppelt; das „Recht auf Privatkopie“ berechtige nur dazu, nicht extra eine Lizenz einholen zu müssen, nicht aber dazu, dies kostenlos zu tun – die Bezahlung geschehe implizit über die Leermedienabgabe.
  • Aus persönlichem Interesse hatte ich mich dann nochmal vergewissert, ist wohl wirklich so: Cosplay ist illegal. Vielleicht sollte man es durch Einführung einer „Leerstoffabgabe“ legalisieren? 😉

Ansonsten kamen noch verschiedene Themen rund um Netzpolitik zur Sprache. Julian hielt einen kurzen Vortrag über Öffentliche Güter, Klubgüter, Allemandegüter und Private Güter. Wie effektiv kann eine Strafverfolgung im Netz ohne Vorratsdatenspeicherung sein? Die Emergenz von Individuen im Netz (Jean-Pol ist ein leidenschaftlicher Verfechter dieser These) und die Bedeutung von Attributierung. Unterschiedliche Ansätze der Kulturflatrate. Und wie man eine Toilettentüre mit gebrochener Klinke von innen wieder öffnen kann… 🙂

Bericht: OV-Sitzung Westend/Laim – 16. Juni

Der Ortsverband Westend-Laim tagte diesen Monat in sehr kleinem Rahmen – gerade mal sieben Personen waren anwesend, das Kind von Nikolaus schon mit eingerechnet. Die Sitzung dauerte etwas unter zwei Stunden.

Hauptthema war die anstehende Entscheidung über eine Münchner Informationsfreiheitssatzung. Michael stellte dazu seinen Antrag für die Stadtversammlung am 21. Juni vor, in dem die Stadtratsfraktion dazu aufgefordert wird, sich für eine möglichst weit reichende, die städtischen Betriebe einschließende Satzung einzusetzen. Der Antrag wird, wenn alles gut geht, am Freitag im wöchentlichen Newsletter des Stadtbüros verschickt werden, ich werde ihn dann auch auf unserer OV-Website online stellen.
Nikolaus, der uns mit seinem Besuch beehrte, machte etwas Werbung für das Fachgespräch „Vom Obrigkeitsstaat zur Mitmachdemokratie“, das am 9. Juli ab 14:00 im Bayerischen Landtag stattfindet (Anmeldung erforderlich).

Das zweite große Thema war die Fahrrad-Situation in München. In recht vielen Einzelanekdoten wurde erst ausgiebig dargelegt, wie es alles nicht geht. Etwas konkreter wurde über das schon im April mit dem OV Nymphenburg/Neuhausen angedachte Projekt gesprochen, Problemzonen im Münchner Radverkehr über eine Mitmach-Internetplattform ausfindig zu machen. Hier wurde vor allem klar, dass es sehr unterschiedliche mögliche Herangehensweisen gibt (von einer Guerilla-Aktion über ein städtisches Projekt hin zu einer ausgeschriebenen Diplomarbeit). Roland will in den nächsten Wochen einen interessierten Kreis Aktiver zusammenstellen, die das Projekt forciert, das ganze soll nicht nur OV-übergreifend sein, sondern auch andere Verbände wie den ADFC einbeziehen.

Artur machte anschließend Werbung für das Bedingungslose Grundeinkommen und verteilte die Einleitung zu einem von ihm geschriebenen Diskussionsbeitrag zu diesem Thema.

Bericht von der SIGINT10

Das erste, was mir an der SigInt auffiel, war die Größe: es war zwar klar, dass sie kleiner würde als der ebenfalls vom Chaos Computer Club organisierte Congress, aber das klein-familiäre Flair überraschte mich dann doch. Einmal abgesehen davon, dass dadurch mangels Repräsentativität nie so das „Wir Hacker“-Gefühl aufkam wie beim Congress (man denke nur an den großartigen WikiLeaks-Vortrag), hatte das aber mehr Vor- als Nachteile: man kam leichter miteinander ins Gespräch, besonders auch mit den Referenten (manchmal machte es fast den Eindruck, als seien mehr Referenten als Nur-Besucher anwesend), es gab keine überfüllten Säle und keine Ticketknappheit.

Die Auswahl der Vorträge war recht gut gelungen – eine gute Mischung aus technischen und netzpolitischen Vorträgen, Diskussionspanels, abgespacter Betrachtungen und Rants.

1. Tag

Michael „mspro“ Seelmann eröffnete den ersten Tag mit einer Keynote über Netzneutralität, wobei es weniger um die aktuell geführte Debatte ging als viel mehr um die grundsätzliche Idee hinter Netzneutralität – respektive dem Paradoxon, dass letztlich einer Regulierung des Netzes durch die ISPs eben wiederum durch Regulierung vorgebeugt werden soll. Er weitete die Idee, ausgehend vom OSI-Schichtenmodell auf verschiedene andere Bereiche aus: auf höhere Schichten, die auf der Schicht 7 (insb. HTTP) aufbauen, andererseits auf Schichten unterhalb der Hardwareschicht, die er als ökonomisch-soziale Schichten bezeichnete. Die Überlegungen sind einerseits ein recht interessantes Gedankenspiel – andererseits ist es dann eventuell doch etwas übertrieben, aus der Netzneutralität die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, einen Demokratisierungsprozess in Farmville und das bedingungslose Grundeinkommen abzuleiten…

Malte Spitz und Simon Edwin Dittrich hielten anschließend einen Vortrag über die Kulturflatrate. Vieles war mir freilich schon bekannt, besonders aus ihrem gemeinsamen Artikel zum selben Thema im copy.right.now-Reader. Etwas konkreter wurde es immerhin zur Erfassung des tatsächlichen Medienkonsums, welche ja immer noch eines der großen Probleme der Kulturflatrate ist. Ihrer Meinung nach soll die Mediennutzung durch eine Kombination verschiedener Messmethoden erfasst werden: ein klassisches repräsentatives Nutzerpanel, das aber größer als bei der Erfassung der Fernsehnutzung sein müsste, ergänzt durch durch Umfragen von Forschungsinstituten und der Auswertungen von Logfiles.

In „Praktische Anti-Zensur“ stellte Scusi erst verschiedene Möglichkeiten der Internetzensur vor – DNS-Sperren, IP-Sperren, Routing-basierte Sperren, Zwangsproxys und hybride Verfahren. Dann ging es um Möglichkeiten, diese zu umgehen, was auch jeder im Raum dann auch gleich testen konnte (zumindest solang die Technik mitspielte). Im Fall der DNS-Sperren reicht bekanntermaßen der Eintrag eines zensurfreien Nameservers wie z.B. die beiden Google-Nameserver 8.8.8.8 oder 8.8.4.4. Für andere Sperren eignen sich Tunnels, VPNs, Anonymisierungsdienste wie Tor oder Anonymisierungs-Proxys wie bei ixQuick.com. Auch Dienste wie lowband und Google Translate lassen sich dafür benutzen. Schließlich gibt es noch obskurere Umgehungsmöglichkeit wie web2email-Dienste oder das Tunneling von HTTP über DNS-Anfragen.

Wieder sehr eigen war der Vortrag von Christian Heller, dessen spritzig-provokanten Thesen zum Datenschutz ich auf dem Politcamp schon recht anregend fand. Diesmal ging es um die „Identitäts-Kriege – vom Ende Menschlicher Gesellschaftsform“. Ich traue mich an dieser Stelle gar nicht, diese epischen Gedankengänge, angefangen von der Ursuppe, über sexuelle Identitätsprobleme, Festlegungsprozesse normativer Gruppeneigenschaften, Ressourcenkämpfe um Identitätsrollen, amorphe Netzwolken, Bürgerrechte für Clippy hin zu einer neuen Informations-Ursuppe wiedergeben zu versuchen und verweise daher nur auf die sicher bald folgende Videoaufzeichnung.

Der für mich spannendste Vortrag des ersten Tages war „The Fine Art of Hari Kari (.JS)“, in dem sich Dan Kaminsky ausgiebig und in recht deutlichen Worten über die Sicherheit von Webanwendungen ausließ – insbesondere auch darüber, warum es Webentwicklern nach wie vor so schwer gemacht wird, sichere Webanwendungen zu schreiben. Sehr ausführlich legte er dar, dass das Absichern von Web-Anwendungen gegen XSS- und XSRF-Attacken immer noch ein ungelöstes Problem ist und auch noch kein neuer wirksamer Mechanismus dagegen in Sicht ist. Schließlich stellte er noch Ideen vor, XML, JSON und SQL-Statements zukünftig gegen Injections zu schützen, wobei er es auch hier sichtlich genoss, gegen Unicode, Prepared Statements und überhaupt gegen so ziemlich alles mitunter recht derb zu schießen.

2. Tag

Der zweite Tag wurde mit einer Keynote von Nick Farr eröffnet, einem amerikanischen Hacker, der in Washington im Finanz-Bereich arbeitet. Unter dem Motto „Yes We Could: Hackers in Government“ erklärte er, warum seiner Meinung nach Hacker an der Regierung eine große Besserung gegenüber der normalen Politiker-Kaste darstellen würde. Die wesentliche Behauptung dabei war, dass Hacker Probleme offener ansprechen würden und generell mehr Wert darauf legten, ein defektes System zu reparieren als unbedingt möglichst viel Macht anzusammeln.

Ein sehr ansprechender Vortrag folgte von RA Udo Vetter (vom Lawblog) über die Strafverfolgung im Netz. Mit reichlich Anekdoten und einer guten Prise Rechtsanwaltshumor versehen berichtete er zunächst, wie die Strafverfolgung seitens der Polizei in der Praxis aussieht (die meisten Polizisten hätten beabsichtigterweise nicht standardmäßig Zugriff auf einen internetfähigen PC), welche Ermittlungsformen es gibt (normale Strafanzeige, Onlinewache; anlassunabhängig nur seitens der LKAs / des BKAs) und welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen (die IP-Adresse spielt nach wie vor eine wichtige Rolle; allein die Tatsache, dass der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung beklagt werde, zeige, dass diese großteils fast schon rechtsmissbräuchlich eingesetzt wurde). Nach einigen Beschwerden über das Vorgehen von jugendschutz.net ging er zum Thema Hausdurchsuchung über, die wohl nach wie vor auch bei kleineren Delikten recht häufig eingesetzt werde. Hierzu gab er einige wichtige Tipps zur Vorsorge und zum Verhalten während einer Durchsuchung. Ich kann nur sehr empfehlen, sich einmal die Videoaufzeichnung des Vortrags anzuschauen.

Unter dem Titel „Kommunismus oder Kummunitarismus?“ folgte ein Diskussionspanel über das Urheberrecht, bei dem sowohl Kritiker als auch Verteidiger des aktuellen Prinzips diskutierten. Für die „Contentmafia“ argumentierte der Indie-Label-Vertreter Stefan Herwig und der Musiker Lukas Schneider, prominentester Kritiker war der „Pirat“ Jens Seipenbusch. Inhaltlich war das Panel nur vereinzelt ergiebig, insbesondere war die anfangs geforderte Lösungsorientierung kaum anzutreffen. Seipenbusch gab sich anfangs als kompromissbereiter, besonnener Schlichter. Aber nach einiger Kritik, er rede zwar viel aber sage wenig, respektive der süffisanten Bemerkung, die Piraten seien damit endlich wirklich in der Politik angekommen, wurde er dann doch sehr deutlich: „Kopien verkaufen ist tot“, „Künstler, schaut selbst wo ihr bleibt!“. Ein anderer Kritiker auf dem Panel formulierte das so: „Mein Lösungsvorschlag ist, nicht aufs Geld zu schauen“. Einige Zwischenrufer aus dem Publikum sahen das wohl ähnlich, insbesondere der Abmahnwahn einiger größerer Labels wurde mehrfach angesprochen. Stefan Herwig verteidigte das Urheberrecht in seinen Grundsätzen, gab aber auch zu, dass es viele Probleme mit der Transparenz gäbe, was zu vielen Vorurteilen führe. Die Labels müssten deutlicher herausstellen, welche Arbeit zur Erzeugung von Musik, Filmen, aber auch Zeitungen erledigt werden müsse und wie die Erlössituation tatsächlich aussehe. Gern werde übersehen, , dass ein Großteil der Musik-Veröffentlichung von den über tausend Indie-Labels und nicht den Majors ausgehe, und dass die Umsätze über Live-Auftritte gerade für die weniger großen Bands eben nicht gestiegen seien, wie dies oft behauptet werde. Musiker Lukas Schneider betonte, dass nur wenige Musiker und kleinere Labels ein Interesse an ganzen Abmahnungen hätten, er auch nichts gegen Remixes wie AMVs basierend auf seinen Werken habe, er aber auch für eine „Kultur des vorher Fragens“ sei.

Nach dieser Veranstaltung wollte ich mir ursprünglich noch das Diskussionspanel „Women and Geek Culture“ geben, da das Thema bei uns ja zurzeit gerade im Zusammenhang mit der Piratenpartei recht kontrovers diskutiert wird. Irgendwie schaffte mich die erste Hälfte des Panels aber nicht so recht zu interessieren, weswegen ich dann zum parallel stattfindenden Vortrag „The road to hell is paved with best practices“ ging. Über Twitter wurde das Gender-Panel zum Teil recht beißend kommentiert, was auch kein sonderlich gutes Bild auf ein paar Leute wirft – wobei der Konsens momentan wohl eher auf „Ich glaube, dass wir kein Genderproblem, sondern ein „Umgang-mit-Menschen“-Problem haben.“ hinausläuft.

Einen recht streitbaren Vortrag hielt Manuel Barkhau über „Imaginäres Eigentum“, in dem er versuchte, auf rein logischen Ableitungen basierend zu beweisen, warum es geistiges Eigentum nicht geben könne. Diese Vorgehensweise ist sicher recht interessant, und vielleicht lag meine Unfähigkeit, im Präsentierten eine wirklich logische Vorgehensweise zu erkennen auch darin begründet, dass nicht genügend Zeit zur Ausführung aller Gedanken blieb. Nichtsdestotrotz waren mir in dieser Form zu viele unbewiesene und implizite Prämissen vorhanden und zu viele Argumente liefen nach dem „There is no Alternative“-Prinzip (wenn alle anderen Schlussfolgerungen zu einem Paradoxon führen ist diese eine automatisch richtig), als dass ich einen wirklichen Erkenntnisgewinn aus dem Vortrag ziehen hätte können. Der Vollständigkeit halber füge ich aber an, dass das einige andere im Publikum auch ganz anders sahen als ich.

Zum Abschluss des zweiten Tages gab ich mir noch den wirklich genialen Rant „Reach Out and Touch Face – A rant about failing“ von Johannes Grenzfurthner. Der ein wenig an Powerpoint-Karaoke erinnernde Vortrag ging um das subversive Elemente der Technikverweigerung von DAUs sowie um die Entfremdung Hollywoods von der neuen Computer-Wirklichkeit. Höhepunkt des Vortrags – und des gesamten Tages – war dann ein Hacker-Massenkaraoke zum 70er-Jahre-Song „Good old Hollywood is Dying“. Hoch emotional und ähnlich schräg wie das Massenkaraoke zu „Hubba Hubba Zoot Zoot“ auf der Connichi 2002.

3. Tag

Der dritte Tag begann mit einer Keynote von Andreas Bogk (CCC), in der er verschiedene aktuelle netzpolitische Themen kommentierte. Bei der Diskussion um die Netzneutralität sah er ein völliges Verbot von Paketpriorisierung als nicht der technischen Wirklichkeit entsprechend: gerade QoS, z.B. bei VoIP müsse weiterhin möglich sein, was auch im Interesse der Nutzer sei. Den Jugendmedienstaatsvertrag sah er als kaum mehr aufhaltbar, betonte aber, dass hier die Proteste dazu beigetragen hätten, den Entwurf zu entschärfen. Und da viele Teile recht schwammig und unklar formuliert sind bleibe zumindest eine gewisse Chance, dass es nicht so schlimm kommt wie befürchtet. Während sich die Netzcommunity auf Bundesebene offenbar bereits recht gut durchsetzen könne (siehe das Internetzensurgesetz), fehle es auf Länderebene offensichtlich also noch an Kampagnenfähigkeit. Ebenfalls müsse man die Kampagnenfähigkeit auf europäischer Ebene verbessern um zu verhindern, dass die Internetzensur nun über diesen Umweg eingeführt werden könne, wie dies derzeit versucht wird. Als weiteres aktuelles Thema kommentierte er die Kulturflatrate – statt der Kulturflatrate solle man sich doch lieber gleich um ein Bedingungsloses Grundeinkommen kümmern. Mit einer kurzen Kritik am Umgang der Piratenpartei mit der Gender-Debatte schloss er schließlich ab.

Technisch recht interessant war der Vortrag „Anonymous Internet – Communication Done Right“, bei dem diverse Möglichkeiten der Zuordnung von Webseitenaufrufen zu konkreten Nutzern vorgestellt wurden, sowie Möglichkeiten, nichtsdestotrotz anonym zu surfen. Der Referent ging insbesondere auf das Anonymisierungsnetzwerk Tor ein, das seiner Meinung nach aber zu diesem Zweck recht überbewertet sei: als Beobachter ließen sich durch Paket-Fingerprinting etwa 80% der real in Tor vorkommenden HTTP-Aufrufe den korrekten Seiten zuordnen, die Exit-Nodes können den Traffic mitlesen (sofern dieser nicht zusätzlich durch SSL verschlüsselt ist) und der Seitenbetreiber könne allein anhand der HTTP-Header eine recht sichere Zuordnung zu vorangegangenen Aufrufen ohne Tor machen (sofern es diese gab). Daneben decke Tor auch keine DNS-Auflösung ab und sei anfällig für Konfigurationsfehler. Andere Systeme als Tor seien entweder wenig besser oder schrecklich unzuverlässig und langsam. Er stellte einige Maßnahmen zur Sicherung der Anonymität vor, darunter die Nutzung einer dedizierten Tor-VM oder schlicht und ergreifend die Nutzung eines Internetcafes. Außerdem gebe es esoterische Maßnahmen wie die anonyme Kommunikation mit einem Dritten über PGP-verschlüsselte Nachrichten in Newsgroups wie alt.anonymous.messages, oder uach Steganografie in Bildern – idealerweise in selbst erstellten Porn-Dateien, um dem Empfänger ein Maximum an Deniability zu ermöglichen.

Äußerst gelungen war das Diskussionspanel „Computer.Spiele.Politik“, das sich über zwei Stunden erstreckte. Hier diskutierten Bastian Dietz (ein Pädagoge, der bereits auf dem letzen Chaos Computer Congress einen sehr sehenswerten Vortrag über dieses Thema hielt), Ibrahim Mazari (Electronic Sports League), der Spieleentwickler Krystian Majewstki und der Journalist Max von Malotki. Kernfragen waren, inwieweit Computerspiele bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen seien (der Konsens war hier, dass ja), wie die Politik damit umgeht, was von den immer wiederkehrenden „Killerspiel“-Debatten zu halten sei und wie sich diese auf die Spiele-Community und -industrie auswirken. Der ungefähre Konsens war dabei, dass der Aspekt der Spielesucht generell der wichtigere sei, von der Überbetonung der Gewaltdiskussion – die fast ausschließlich in Deutschland, fast gar nicht in anderen Ländern stattfinde – verdrängt wäre. Mazari forderte, dass sich die seriöse Medienwirkungsforschung stärker an die Öffentlichkeit wenden sollte, damit nicht immer wieder Politiker und Öffentlichkeit „dem Pfeifer auf den Leim gehen“. Gleichsam betonte er, dass er durchaus daran glaube, dass Medienkonsum Auswirkungen habe, die es zu erforschen gelte, und auch hinter dem deutschen Jugendschutz-System stehe, das dann aber nicht durch politischen Aktivismus unterlaufen werden solle (Counterstrike-Verbot). Dietz betonte, dass jüngere Politiker bei allen Parteien aufgeschlossener gegenüber dem Thema sind und er diesbezüglich auch bei der CSU positive Erfahrungen gemacht habe. Direkt an den Landtagen gebe es zum einen gute Aufklärungsaktionen, die auch viel dazu beitragen, Politikern Spiele näherzubringen, andererseits gebe es auch Anhörungen, die „den Unterhaltungswert des Heise-Forums“ habe. Ein inhärentes Problem sei aber, dass Videospieler eine deutlich schwächere Lobby aufbauen könnten, da ein großer Teil der Betroffenen noch nicht wählen könne. Das äußere sich auch auf vielen anderen Gebieten, z.B. dem Sonnenbankverbot für Jugendliche. Das Suchtproblem sei ernst zu nehmen, aber auch nicht überzudramatisieren: während es zwar noch keine belastbaren Zahlen gäbe (unseriöse dafür umso mehr), dürfte die Anteil der Betroffenen in ähnlichen Dimensionen wie bei anderen nicht-stoffgebundenen Suchten sein (1,8 – 3%). Alle Diskussionsteilnehmer waren sich auch einig darüber, dass die Chancen von Spielen stärker thematisiert werden sollten, auch hinsichtlich der „Serious games“. Aber auch erzieherisch gemeinte Spiele sollten auch einen spielerischen Anspruch haben und nicht „den Charme von Socken-Sortieren in der Kommode“ haben.

In mehreren Vorträgen ging es um Überwachung und Zensur in Europa:

  • In „(Dis-)connected World“ sprach Christian Bahls (vom MOGiS-Verein) über die Hintergründe der neuen europäischen Initiative für Netzsperre und wie man sich möglichst effektiv dagegen mobilisieren kann.
  • Es folgte ein Vortrag über INDECT, ein europäisches Forschungsprojekt zur lückenlosen Überwachung städtischer Gebiete, bei dem insbesondere auch Überwachungs-Drohnen, automatische Internet-Überwachungs-Tools und Heuristiken für „abormales Verhalten“ zum Einsatz kommen sollen.
  • In „Das Leben der anderen“ versuchte die frühere MI5-Mitarbeiterin Annie Machon, die sich nach einigen Skandale um den britischen Geheimdienst als Whistleblowerin einen Namen machte (Buchveröffentlichung; CCC-Vortrag), die Eigenschaften eines Polizeistaats zu systematisieren und zu analysieren, inwieweit gerade ihr Heimatland Großbritannien schon diesen Kriterien genügt – ihrer Meinung nach schon erschreckend weit gehend.

Notizen vom copy.right.now-Reader

Ich hab in den letzten Tagen den Copy.Right.Now!-Reader von iRights.info und der Böll-Stiftung durchgearbeitet und mit dabei Notizen von den zentralen Aussagen gemacht – vorrangig für mich selbst, um schnell nachschlagen zu können, von wem nun welche These stammt.

Ich weiß nicht, inwieweit die Notizen für jemand anderen als für mich irgendeinen praktischen Nutzen haben – aber es kann ja auch nichts schaden, sie einfach mal online zu stellen. 🙂

Jeanette Hofmann – Wider die Verschwendung

  • Urheberrecht stellt moralisches Vokabular / Metaphern / Denkmuster bereit.
  • Filesharing, Total Buy out, Google Books zeigen, dass altes Urheberrecht überholt ist.
  • Aufruf: alternative Deutungsrahmen suchen.
  • Kandidat: Ökonomische Theorie öffentlicher Güter.
  • Öffentliches Gut: Nichtrivalität (Grenzkosten der Verbreitung), Nichtausschließbarkeit.
    • => Es gibt ein breites Spektrum zwischen Öffentlich und Privat.
  • Drei idealtypische Vorgehensweisen des Staats bei öffentlichen Gütern:
    • Staat produziert selbst
    • Staat kauft auf
    • Rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, um es privat zu machen: Verwertungsmonopol
  • Private Nutzung: weniger Menschen werden mit Information versorgt, als bei den gegebenen Kosten möglich wäre => ineffizient
  • Information ist nicht nur Konsumobjekt, sondern auch Produktionsgut.

Lawrence Lessig – Google, Urheberrecht, Zukunft (US)

  • Dokumentarfilme d. 20. Jhr: Individualvereinbarungen statt Fair Use
    • => Schwierig, Werke neu aufzulegen (Beispiel: Tochter des Dokumentarfilmers, die alte Filmrollen auf DVDs veröffentlichen will)
  • Lesen geht immer, Sehen ist schwierig: beim digitalen Anschauen wird eine Kopie erstellt => Urheberrechtsproblematik
  • Problem bei Lizenzverhanldung der Google-Bücher: 16% gemeinfrei (kein Problem), 9% lieferbar (kein Problem, weil Verleger froh um Vertriebsmöglichkeit), 75% unklar, Schwierigkeit, die Urheber zu kontaktieren.
  • Einigung ohne Urteil: 20% jedes Buches mit nicht-ermittelbarem Autor kostenlos, darüber hinaus Verkauf, Erlöse in gemeinnützigen Fonds, Taniemen für Autoren.
  • Vertrag elegant, aber problematisch: Fair Use wird dadurch umgangen. Das unbegrenzte Stöbern wie in Bibliotheken geht nicht mehr.
  • Problematisch: Urheberrecht wird immer abstrakter, dringt weiter in den Alltag ein.
  • Vorschläge für rechtliche Änderungen:
    • Eigentumssystem effizienter gestalten. z.B. Registrierungspflicht für Aufrechterhaltung des Urheberrechts nach 5 Jahren.
    • Schaffung einer Clearing-Stelle, die den Zwang des endlosen Aushandelns nimmt, einfache Eigentumsregeln schafft.
    • Nach 14 Jahren: Erhaltung / Restaurierung des Werks ohne Lizenzverhandlung, Teile des Ganzen können das Ganze nicht mehr beherrschen.
    • […]

Jonathan Lethem – Autoren, plagiiert euch!

  • Beispiel Lolita: Nabokov vs. Heinz von Lichberg
  • Beispiel: Collagen, DJs
  • Urheberrecht wird als Naturgesetz angesehen, ist aber Gegenstand sozialer Verhandlungen.
  • Thomas Jefferson / erste US-Verfassung: nur minimales Urheberrecht; Schutzfrist ursprünglich 14 Jahre.
  • Besserer Name für Urheberrecht wäre: Benutzer-Monopol
  • Disney: Exzessives Kultur-Sampling, aber viel Wert auf eigenen Schutz (Quellen-Heuchelei: „Disnial“)
  • Doppelnatur d. Kultur-Praktiken: Markt-Ökonomie u. Geschenk-Ökonomie (schafft Beziehung)
  • Jedes wichtige Werk geht in die kulturelle Sprache ein => Parodien etc.
  • Zweck des Urheberrechts nicht die Entlohnung, sondern der Fortschritt der Künste / Wissenschaft
  • Erlössituation bleibt uneindeutig bei Künstlern: manche Werke verkauft man, manche verschenkt man.
  • „Der Kern allen menschlichen Ausdrucks ist das Plagiat“

Till Kreuzer – Ideen für neues Urheberrechtskonzept

  • Einfachere Reproduktion wie früher. Werke entstehen zunehmend kollaborativ.
  • Thematik des Urheberrechts ist in den letzten 100 Jahren in die Mitte der Gesellschaft gerückt, aber Urheberrecht ist auf Stand von 1966
  • Skurril: Für alle Werke gelten die gleichen Regelungen (Computerprogramm = Symphonie)
  • Lange Schutzfrist nachvollziehbar für hohe Kultur und Werke mit hohen Investition, nicht für die alltäglichen Geisteserzeugnisse (Tagesberichterstattung, Programme, …)
  • Die breite Ignoranz gegenüber den Gesetzen beim Urheberrecht ist einzigartig in der Geschichte staatlicher Regulierung
  • Urheberrecht neu denken, vom Fundament (geistiges Eigentum, Werk als verobjektivierter Teil der Schöpferpersönlichkeit) an
  • Folge des aktuellen Rechts: es gibt keine Nutzerrechte, kein Recht auf Privatkopien – nur passive Befugnisse in Form von Ausnahmen
  • Die Wirklichkeit zeigt, dass Kreativität auch ohne Rücksicht auf das gegenwärtige Urheberrechtsmodell blüht: Wikipedia, Blogsphäre, Linux, YouTube/MyScace, …
    • => Das Urheberrecht hat derzeit nicht mehr den Fokus, Kreativität zu stimulieren, sondern Piraterie zu bekämpfen. Nur die Interessen der Verwerter.
  • Urheberrecht sollte nicht mehr als Naturrecht angesehen werden, sondern als rechtliches Mittel, um die Kreativität zu fördern. => Das Kulturschaffen der Allgemeinheit soll gefördert werden, nicht nur Partikularinteressen gewarht werden.
  • „Urheberrechte werden nur dann und insoweit gewährt, als sie die Erzeugung, Veröffentlichung und Nutzung von kreativen Schöpfungen fördern und keine höherrangigen widerstreitenden Interessen beeinträchtigen. Regelungen des geschriebenen Rechts, die diesem Ziel zuwiderlaufen, sind unzulässig.“
  • Hätte Auswirkungen u.a. auf Total-Buy-Out-Verträge bei freien Journalisten, Vergütung beim Einsatz in der Bildung/Wissenschaft, Schutzdauer bei verwaisten Werken, Zitatrecht, Kopierschutzsysteme die Archivzwecken widersprechen
  • Heutige Schaffensrealität legt funktionalen, auf das jeweilige Produkt abzielenden Rechtsschutz nahe; Persönlichkeitsschutz nur in besonderen Fällen.
  • Vorgeschlagene Unterscheidung für eine Reform des Urheberrechts:
    • Ideeller Schutz, „Urheberschutzrecht“: Nur bei Werken, die in starker persönlicher Beziehung zum Urheber stammen. Beinhaltet Namensnennungsrecht, Schutz gegen Entstellung.
    • Materieller Schutz, „Werkschutzrecht“: Auf die individuellen Schutzbedürfnisse des Erzeugnisses zugeschnitten.
      • Schutzumfang austarieren, z.B. Archivierung durch Kultuinstitutionen generell zulässig, privater und kreativer Umgang damit freistellen (evtl. gegen Vergütung).
      • Schutzdauer je nach Werk und Nutzungsform, evtl. abgestufte Freigabe, mit Ausschließlichkeitsrechten nur noch in Form von Vergütungsansprüchen.
      • Alternative: nur recht kurze Schutzdauer (~ Amortisationszeit der Investitionen), danach Aufrechterhaltung des Schutzes gegen Gebühr.

Gerd Hansen – Rechtstheoretische Neuorientierung

  • Schöpferische Persönlichkeit ist kein Legitimationsfigur mehr, da Schöpfungshöhe immer weiter abgesenkt wurde und zunehmend Werke industriellen Charakters geschützt werden.
  • Häufig behindern urheberrechtliche Verbotsrechte kreatives Schaffen eher.
  • Akzeptanzverlust ist sowohl Folge als auch Ursache des „Raubkopierens“.
  • Aber: allein das massenhafte Brechen des Gesetzes stellt die Legitimation desselben noch nicht in Frage! „Freibiermentalität“ darf nicht Maßstab für Revision des Urheberrechts sein.
  • Dem Phänomen des „Raubkopierens“ durch Härte und bessere Ausgestaltung u. Begründung des Urheberrechts begegnen.
  • Konfrontativer Ansatz (schärfere Sanktionen) verschärft Spannungen nur.
  • Ziel wäre eine „offene Kultur“, in der möglichst viele Werke barriere- und erlaubsnisfrei, aber nicht unbedingt kostenfrei zugänglich sind. Gesetzestechnisches Ideal: Nicht „Property“, sondern „Liability Rule“.
  • „Remix Culture“ der digitalen Welt sind aktive Teilnahme am kulturellen Leben, die es zu bewahren gilt.
  • Nutzerorientierte Ausgestaltung des Urheberrechts wohl nicht mit dem rein urheberzentrierten Paradigma vereinbar. Vielmehr: „kollektivistisch-konsequentialistischen Rechtfertigungsansätzen“.
  • Hinweis auf Dissertation des Autors: „Warum Urheberrecht?
  • Erhaltenswerte Funktionen des Urheberrechts:
    • Prinzip der persönlichkeitsrechtlichen Interessenswahrung
    • Alimentations- und Amortisationsprinzip
    • Partizipationsprinzip (auf Nutzer bezogen)

Ilja Braun – Leistungsschutzrecht für Presseverlage

  • Hubert Burda: Google enteignet Verlage, weil Werbung bei bei den Suchergebnissen gekauft wird als bei den Inhalten, es die Ergebnisse aber ohne die Inhalte nicht gäbe.
  • Paradox, weil: 50% der Zugriffe bei Verlagen kommen durch Google; Total-Buy-Out-Verträge der Verlage „enteignen“ die freien Journalisten.
  • Die Verlage selbst besitzen kein Urheberrecht (Zusammenstellung ist nicht schutzfähig), nur verwandte Schutzrechte.
  • Leistungsschutzrecht: schützt Investitionen des Verwerters. Existiert bei Tonträgerherstellern und Filmproduzenten.
  • Ausweitung auf Verleger, gegen unerlaubte Nutzung im Internet, und Nachrichtenportale a la Google News.
    • Gegenargumente: Zahl der ungenehmigten Veröffentlichungen gering, außerdem können Verleger ohnehin bereits dagegen vorgehen.
  • Snippets bei Google News sind zu kurz, um derzeit schutzfähig zu sein; würde sich mit Leistungsschutzrecht ändern.
  • Verlage können bereits jetzt Google ausschließen (robots.txt?) – konkludente Einwilligung?
  • Springer-Vertreter: Gründung einer „Verwertungsgesellschaft Print/Online“, Lizenzierung an gewerbliche Nutzer.
  • Leistungsschutzrecht wirkt wie ein Verbotsrecht.
  • Läuft es auf eine Art privatwirtschaftliche Kulturflatrate hinaus? (Wenn auch Internet-Provider etwas zu zahlen haben)
  • Appell d. Autors: statt zu überlegen, wie man „verlegerische Leistung“ vor Google schützen kann, sollte man sich lieber überlegen, wie künftig freier Journalismus finanziert werden kann.

Monika Ermert – ACTA und die Folgen

  • 3-Strikes-Regelung in einer Kompromissformel aufgenommen: zulässig bei Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahren; kein Zwang der einzelnen Länder zur Umsetzung (dazu hätte Kommission/Rat keine Befugnis).
  • Aber: Sorge wegen KOR(ea)US-Freihandelsabkommen: Haftungsfreistellung der Provider nur bei Bereitstellung der Sperrmöglichkeit.
  • Da es keine einheitliche Regelungen der EU zum Strafrecht in diesem Gebiet gibt, dürfte dies gar nicht verhandelt werden. Trick der Kommission: alle Länder setzen Mindeststandards des TRIPS-Abkommens der WTO um.
  • Kritik an Geheimhaltung (ist nach Erscheinen des Readers inzwischen veröffentlicht worden) bzw. dem Ausschluss der Parlamente.
  • Kritik an sprachlicher Vermischung von gepanschten Medikamenten, Generika, gefältschter T-Shirts und Musik-Kopien.
  • Symptomatisch: Wegen Widerständen gegen den „IP-Maximalismus“ werden neue Abkommen nicht mehr über WIPO oder WTO geführt, sondern nur in kleiner „Koalition der Willigen“ – die anderen sollen dann in bilateralen Verträgen dazu gedrängt werden.
  • Wichtig: Schrankenregelungen (z.B. Bücher für Blinde; verwaiste Bücher; Buchdigitalisierungen)

John Hendrik Weitzmann – Creative Commons

  • Urheberrecht viel zu komplex bei kleineren Werken; Ausfindigmachen der Urheber / Nachfragen oft zu umständlich (Beispiel: Abbildungen für Vereinszeitschrift)
  • Durch veränderte Vertriebssituation hat das Urheberrecht häufig die Funktion verloren, für einen adäquaten Ausgleich für wirtschaftliche Risiken zu sorgen.
  • Für kleinere Künstler ist die Bekanntheit wichtiger als rechtlich unterstützte Verknappung der Werke.
  • Creative Commons als neuen Lösungsweg, basierend auf der „Privatautonomie“-
    • Solide rechtliche Texte, um seine Werke stufenweise freizugeben.
    • 6 Standardlizenzen, um sehr einfach verständliche Erklärungen ergänzt.
    • Anpassung der Texte an sich ändernde Gesetzgebungen.
    • Werden Lizenzbestimmungen vom Nutzer missachtet, gilt wieder das übliche Urheberrecht, das eingeklagt werden kann => Creative Commons sind auf funktionierendes Urheberrecht angewiesen.
  • Portierung der CC auf >50 Rechtsordnungen; dadurch quasi „Harmonisierung von unten“

Robin Meyer-Lucht – Innovationsfonds „Digitale Öffenltlichkeit“

  • Beispiel für sich ändernde Verbreitungsmechanismen: http://twitter.com/BVerfG
  • Probleme für den Journalismus, sich an die neuen Strukturen anzupassen:
    • Verlust der Deutungshoheit beim Leser
    • Verlust der herausragenden Stellung im Anzeigenmarkt: Online-Werbemarkt (DE) 2,5 Mrd. Euro, davon bei journalistischen Angeboten: 200 Mio. Euro
  • Weite Teile des Journalismus reagiert mit einer Schockstarre
  • Verlagsjournalismus produziert zu viel Gleichförmiges
  • Drei wichtige Kennzeichen der digitalen Öffentlichkeit:
    • Vielzahl aktiver Teilnehmer
    • Vernetzung
    • Algorithmische Basis
  • Rolle des Journalismus wird kleiner sein als in der analogen Welt, da sich Teilsysteme von Journalismus emanzipieren
  • Krise des Journalismus liegt an Strukturproblemen, nicht am unzureichenden Urheberrecht; lässt sich nicht mit juristischen Mitteln (Leistungsschutzrecht) bekämpfen.
  • Suchmaschinen und Aggregatoren leisten wegen der Auffindbarkeit von Informationen einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung.
  • Nutzer müssen motiviert werden, zur Refinanzierung von Journalismus direkt beizutragen – aber nicht über starre Bezahlschranken.
  • Politik sollte nicht Symptome lindern, sondern beim Herausbilden neuer Strukturen helfen.
  • Vorschlag eines Innovationsfonds „Digitale Öffentlichkeit“
    • Entwicklung neuer Infrastrukturen unterstützen
    • z.B. Plattformen zum Start von lokalen Angeboten, Crowdfunding, Bezahlsysteme für journalistische Inhalte, neue Aggregator-Modelle.
    • Zusammenarbeit mit Universitäten, Unternehmen, Investoren.
    • Aber: nur Anschubfinanzierung, keine dauerhafte Förderabhängigkeiten wie im Filmbereich.

Ilja Braun – Angemessene Vergütung

  • Nicht tragbare Situation zur Jahrtausendwende: Verwerter lassen sich alle Verwertungsrechte zusichern, ohne die Urheber angemessen an den Erlösen zu beteiligen.
  • 2. Korb: Anspruch des Urhebers auf „angemessene“ Vergütung.
  • Probleme beim Aushandeln, was „angemessenen“ ist.
    • Regisseure, Drehbuchautoren, Kameraleute: noch keine Einigung
    • Literarische Übersetzer: 0,4-0,8% des Preises (aber 2009 noch nicht umgesetzt?)
    • Literarische Schriftsteller: Seit 2005: 4-10% des Preises
    • Freie Journalisten in Tageszeitungen: Seit 2010: Zeilenhonorare von 0,47-1,165€, aber Nebenrechte sind damit auch bereits abgegolten => Verstößt gegen „Beteiligungsgrundsatz.
  • Regelungen „angemessener“ Vergütung haben faktisch nur wenig geholfen.
  • „Liebe schlechte Vereinbarung als gar keine“ ist nicht vorteilhaft: Vergütungsregeln sind keine Tarifvereinbarung, die wieder gekündigt werden kann. Vielmehr wirkt es wie eine Honorar-Obergrenze.
  • Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ empfiehlt, erneut zu prüfen, wie man eine angemessene Vergütung sicherstellen kann.
  • Man kann bei Journalisten nicht mit dem „Freien Markt“ argumentieren, weil schon das Urheberrecht an sich ein Verstoß gegen den freien Markt ist (Monopolrecht).
  • Forderung: stärkere gesetzliche Regulierung von Rechteübertragungen und Beteiligungen
    • Grundhonorar immer nur als Vorschuss auf verrechenbare Beteiligung
    • „Use-it-or-lose-it“: Rechte fallen an Urheber zurück, wenn sie nicht genutzt werden

Tim Renner – Zurück an den Verhandlungstisch / Musikindustrie

  • Drei Parteien im Konflikt: Nutzer, Musikindustrie, Künstler.
  • Verlierer des Konflikts: Musikindustrie – Umsatzrückgang von 50% im Vgl. zu 1998.
  • Gewinner: die Konsumenten, die mit der Technik umgehen können.
  • Künstler: Newcomer und sehr erfolgreiche Musiker profitieren von den Vertriebsmöglichkeiten des Internets. Schwierig ist es für das breite Mittelfeld.
  • Mittelfeld ist auf Live-Einnahmen angewiesen; die wuchsen zwar, aber nicht wegen steigenden Besucherzahlen, sondern wegen steigenden Ticketpreisen für die Stars.
  • Sowohl Firmen als auch Nutzer erwarten Unmögliches.
  • Ähnliche Situation wie zur Erfindung des Radios: Umsätze fielen (auch wg. Wirtschaftskrise) auf 6% des ursprünglichen Werts.
  • Die Musikindustrie überlebte damals durch:
    • Preis: Preissenkung pro Platte von 75 auf 35 Cent.
    • Darreichungsform: HiFi als technische Innovation.
    • Rechtssicherheit: Vergütung zwischen Radiosendern und Urheber- und Leistungsschutzrechtinhabern.
  • Übertragen auf aktuelle Situation: Modell Flatrate
  • Musikindustrie sperrt sich dagegen; auch zu langsam beim Aufbau legaler Alternativen
  • Da deswegen Dritte (Künstler) nicht vergütet werden, ist ein staatlicher Eingriff gefragt.
  • Beispiel einer optionalen Musik-Flatrate für 9,99€: ergibt 50% der Umsätze mit CDs.
  • Staat muss Konfliktparteien davon abbringen müssen, Maximalforderungen zu stellen.

Cornelia Sollfrank (Künstlerin) – Urheberrecht als Gegenstand der Kunst

  • [Eher ein persönlicher Bericht einer Künstlerin über ihre Collage-Projekt]
  • Die Künstlerin schrieb ein Computerprogramm, das automatisch Collagen erstellt – wer ist da der Urheber?
  • Gedacht als Fortführung der Kunst Warhols im digitalen Zeitalter.
  • Warhol wollte die beiden zentralen Kategorien der Kunst (zer)stören, originales Werk und dessen Autor.
  • Ausstellung der Künstlerin wurde abgesagt, wegen Furcht vor Urheberrechtskonflikten mit den Interessensvertretern von Warhol. Unklare Rechtslage bei Collagen.
  • Erstellte eine Interview mit Warhol (als Video-Collage), in dem sie sich mit ihm über Urheberrechte unterhielt.
  • Persönlichkeitsrechte im europäischen Urheberrecht werden für die Firmen immer mehr zum Störfaktor beim globalen Handel. Die Künstler selbst werden benutzt zur Durchsetzung härterer Gesetze.

Christian von Borries (Musiker) – Sicherheit der Musik am Hindukusch

  • Kämpfer für komplette Abschaffung des Urheberrechts – als klassischer Musiker.
  • Rhetorik der Kulturstaatsminister, Spricher-Chefs. etc. erinnert an Kalten Krieg.
  • Furcht vor „Secondary Markets“ gibt es schon seit über einem Jahrhundert.
  • Viele russische Downloadseiten, weil sich in Russland kein Bewusstsein für Urheberrecht entwickelt hat (existiert erst seit 1993)
  • Armut führt zur Piraterie; zu hohe offizielle Preise in den GUS-Staaten.
  • Recht löst sich selbst auf, weil es nicht mehr durchsetzbar ist.
  • Google muss versuchen, so viele Benutzer wie möglich online zu bekommen, so freiheitlich wie möglich zu sein; dadurch Gegenpol zu Staat und Wirtschaft.
  • Konfuzius: „Ich habe vermittelt, was man mir beigebracht hat, ohne eigenes zu erfinden.“
  • Paradoxon China: es wird gefordert, freien Zugang zum Internet einzurichten, und gleichzeitig den Schutz des geistigen Eigentums zu stärken.
  • Tage des Urheberrechts sind gezählt!

Interview Cory Doctorow (SciFi-Autor) – Kopien verteufeln ist Heuchelei

  • Jeder bricht ununterbrochen das Urheberrecht. Es ist moralisch nicht vertretbar, sich über den freien Zugang zum Wissen zu beklagen.
  • Man betreibt Kunst nicht nur aus ökonomischen Gründen.
  • Internet hilft, gehört zu werden.
  • Zeitgenössische Kunst muss das Kopieren als Voraussetzung akzeptieren.
  • Stellt seine Werke kostenlos ins Netz; funktioniert, welt eBooks kein Ersatz für Bücher sind. Liegt nicht an Bildqualität des Monitors, sondern an typischer Benutzungsweise.
  • Problem der Autoren sind nicht die Kopien, sondern die mangelnde Bekanntheit.
  • Man muss dazu übergehen, auch Remixes als etwas Originelles anzusehen.

Helga Trüpel – Digital Rights Fair Trade

  • Piratenpartei für Abschwächung bis Abschaffung des Urheberrechts; Content-Industrie auf gegenteiliger Position; Wissenschaftler und Juristen, die die Vorzüge von Open Access sehen, plädieren für kollektive Bezahlmodelle, die keine Überwachung bedeuten.
  • Einfacher Zugang für Nutzer und starke Rechte für Urheber schließen sich nicht aus.
  • „Proprietäre Ordnung von geistigem Eigentum“ sind zu verteidigen.
  • Möglichkeit einer gesetzlichen Kulturflatrate als kollektives Bezahlmodell im Rahmen der Schrankenbestimmungen. Nicht-Zahler müssen aber belangt werden können.
  • Viel Kritik am Flatrate: noch viel zu vage => weitere Klärung nötig.
  • Weiteres Modell: „Media Markt“-Modell: Inhalte auf vielen verschiedenen Plattformen verfügbar, Zahlung über Micro-Payments.
  • Über den Markt angebotene Flatrate-Modelle.
  • Wichtig: uneingeschränkte Nutzbarkeit der gekauften Inhalte.
  • Keine pauschale Kulturflatrate möglich – eher passgenaue Lösungen für einzelne Branchen.
  • Vertragsrecht neu gestalten: kene „Buy out“-Verträge mehr.

Simon Edwin Dittrich / Malte Spitz – Kulturflatrate

  • Kulturelle Teilhabe wird leichter, aber Umsätze zu generieren wird schwieriger. Das Urheberrecht muss sich verändern.Kulturflatrate nicht universeller Heilsbringer, aber fairer Interessensausgleich. Weitere Modellentwicklung nötig.
  • Urheberrechtsverletzungen im Netz sind kein originär urheberrechtliches Problem => Gesetzesverschärfungen lösen das Problem nicht.
  • Im Bereich der Musik herrscht derzeit Marktversagen => Staat muss eingreifen.
  • DRM und Internetüberwachung sind nicht angemessen.
  • Verfolgung von Tauschbörsennutzern verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten.
  • Pauschalabgabe auf Breitbandanschlüsse => Einzug des Marktprinzips in Tauschbörsen.
  • Problem: es gibt wenige verlässliche Zahlen.
  • Kulturflatrate würde nur digitalen nicht-kommerziellen Bereich abdecken, löst also nur einen Teil der Problem.
  • GEMA muss ohnehin auch reformiert werden => weitergehende Demokratisierung.
  • Beauftragung der Zentralstelle für private Überspielrechte (ZPÜ).
  • Rückgriff auf existierende Auswertungstools des Nutzerverhaltens, wenn diese datenschutzfreundlich / manipulationsresistent ausgestaltet werden.
  • Neben der reinen Downloadzahl soll die Nutzungsfrequenz berücksichtigt werden.
  • Verwendung eines Nutzer-Panels zur Auswertung würde nicht zur Fokussierung auf Massenware führen.

Diskussion Jan Philipp Albrecht / Jens Seipenbusch

  • Seipenbusch: Urheberrecht noch auf Farbkopierer zugeschnitten. Wird in Zukunft entweder strenger oder liberaler. Wandlungsbedarf in der Unterhaltungsindustrie.
  • Albrecht: Geistiges Eigentum / Urheberrecht keine unverbrüchliche Leitideen. Gemeinschaftsbezug wird vernachlässigt. Debatte wird zu stark von den Verwerterinteressen dominiert.
  • Albrecht: Es wurden Instrumente zur Verfolgung von Rechtsbrüchen eingeführt, die im analogen Bereich nicht durchsetzungsfähig wären.
  • Albrecht: Frage nach Ausgestaltung des Urheberrecht und dessen Durchsetzung sind zwei verschiedene Diskussionen.
  • Seipenbusch: Urheber müssen auch vor den Verwertern geschützt werden. Machtposition der Verwerter liegt in der Ressourcen-Knappheit begründet, die es jetzt nicht mehr gibt. Sie sollten nun vielmehr reine Dienstleister für die Urheber sein.
  • Seipenbusch: Journalismus ist anders zu behandeln als Unterhaltungsindustrie (vierte Gewalt). Aber Ressource „Nachricht“ ist in der digitalen Welt nicht mehr knapp.
  • Albrecht: Verwertungsgesellschaften müssen eine zentrale Rolle spielen, um eine faire Entlohnung der Urheber zu ermöglichen.
  • Seipenbusch: Filesharing nur sichtbar gewordenes Phänomen, das es schon immer gab => Zweifel am Einkommensverlust d. Musikindustrie.
  • Albrecht: Bei privatem Tausch per Musikkassette zahlt man aber auch an eine Verwertungsgesellschaft.
  • Seipenbusch: Alternative Sicht: Hersteller des Kopierers handelt kommerziell, würde auf Kosten der Werkhersteller Profit machen.
  • Seipenbusch: Nutzer haben Gefühl der „Read-Write-Society“ bereits geschmeckt. Zu früh, um sich Gedanken über Verwertungsgesellschaften zu machen, erst mal Markt sich selbst restrukturieren lassen.
  • Seipenbusch: „Kultur“ ist nicht das, was man verkauft, sondern was man „macht“. Kulturflatrate ist nicht Kulturförderung, sondern Warenabsatzförderung.
  • Albrecht: System d. Verwertungsgesellschaften muss mit öffentlicher Kulturförderung verschaltet sein.
  • Seipenbusch: Digitalkünstler fragen nicht nach Wert, sondern nach Nutzbarkeit eines Werks.
  • Albrecht: Entscheidung über Verwertung eines Werks muss dem Urheber obliegen.
  • Albrecht: Es ist wichtig, dass es eine breitere öffentlich Debatte über Grenzen der Verwertung des Urheberrechts gibt. Im EP kämpfen Grüne, Piraten, Liberale und Linke für Aufmerksamkeit um dieses Thema.

Gegendemonstration zum Nazi-Aufmarsch am 8. Mai

Ich hatte mich durch einen Aufruf der Münchner Grünen recht spontan dazu entschlossen, heute beim „München ist Bunt“-Festival vorbeizuschauen – einer vom Stadtviertel Fürstenried-West organisierte Gegenveranstaltung zum angekündigten Neonazi-Aufmarsch zum Gedenken des 8. Mai 1945. Es war also zum einen Teil eine klassische Gegendemonstration, zum anderen Teil eine Kulturveranstaltung, bei der Kinder nahöstlich angehauchte Tänze vorführten, eine Blaskapelle spielten und eine jugendliche Band rockte – und einige lokale Politik-Größen (Ude sowie seine Vor- und Vor-Vorgänger) Reden für Toleranz und für das Gedenken an die damalige Befreiung vom Nationalsozialismus hielten. Recht viele Parteien waren anwesend und zeigten durch Fahnen Präsenz, von der den Grünen über SPD und der Linke hin zur DKP, auch die Gewerkschaften wie ver.di.

Für mich war die Demo insofern ein Novum, als dass ich erstmals auch selbst „parteilich“ unterwegs war, also nach einem Treffen im Grünen-Stadtbüro mit Fahne, Buttons usw. ausgestattet war. Wobei so ziemlich der einzige merkbare Unterschied zu sonst der war, dass man dank Fahnen die eigenen Bekannten leichter wiederfindet. Dafür hat es sich so ergeben, dass ich großteils mit einer Gruppe von der Grünen Jugend unterwegs war, und das hatte dann doch seine eigene Dynamik.

Die ganze Gegendemonstration befand sich entlang der geplanten Marschroute, die wie abzusehen von einer Hundertschaft an Polizisten abgeriegelt war. Recht früh waren einige Gegendemonstranten – vornehmlich welche vom Schwarzen Block – auf die abgeriegelten Straße gekommen, um dort eine Sitzblockade zu veranstalten. Die Polizei unternahm zwar nichts, um sie dort zu verscheuchen, ging dann aber schon sehr bestimmt gegen die Versuche Weiterer vor, auf die Straße zu kommen: direkt vor mir versuchte es einer – wurde recht unsanft gepackt (für Münchner Verhältnisse; in Berlin hätte das sicher nochmal anders ausgesehen) – ein halbes Dutzend Bekannte (mutmaßlich ebenfalls vom Schwarzen Block) kamen zu Hilfe – zwei Dutzend zusätzliche Polizisten kamen zur Hilfe – die ganze Lage schien innerhalb von etwa einer halben Minute zu eskalieren, beruhigte sich dann aber ebenso schnell wieder. Es war auf alle Fälle interessant zu sehen, wie schnell solche Situationen eskalieren können. Ich beneide die Polizisten zumindest nicht um die Aufgabe.

Aber es gab noch einen anderen Weg hinter die Wegsperren, bei dem man die Sperre weitläufig durch einen 400m-Wald-Trampelpfad durchs Dickicht hin zu einer ungesicherten Straßenstelle umgehen konnte. Unter anderem eine Gruppe aus dem Umfeld der Grünen Jugend schaffte es so, zur Blockade aufzuschließen – zwar vorbei an ein paar Polizisten, die das zwar eigentlich verhindern wollten oder zumindest sollten, dabei aber schon betont wenig Eifer zeigten. Nachdem die Zahl der Leute auf der Straße dank des Waldwegs recht schnell anwuchs, entschloss sich die Polizei wohl irgendwann, den Weg als nicht mehr räumbar und damit nicht passierbar zu deklarieren. Es lief also darauf hinaus, dass der Aufmarsch nicht bis zum Ende durchgezogen werden konnte und die Abschlusskundgebung entfallen musste – für die Gegendemonstranten gewissermaßen das „Gewonnen“-Szenario. (Und in der Gesamtsituation kann man wohl auch vermuten, dass das der Polizei auch gar nicht so unrecht war.)

Der Nazi-Aufmarsch selbst war dann an sich unspektakulär: etwa 50-70 Neonazis, die wohl den gefallenen Soldaten und der Niederlage gedachten, dabei von 3000-5000 Gegendemonstranten (je nach Zählung) ausgebuht wurden, und sich dann beim Heimweg per (polizeilich abgeriegelter) U-Bahn wohl (laut Abendzeitung) auch noch Anlass gegeben haben müssen, sie in Gewahrsam zu nehmen.

Es gibt ja immer das Argument, dass man mit Gegendemonstrationen solchen Leuten unnötig viel Aufmerksamkeit beschaffe. Andererseits wäre es eben ein recht fatales Zeichen, sie machen zu lassen ohne dass sich jemand daran (sichtbar) stört. Und gerade die Verbindung mit einem kleinen Kulturfest und einer eigenen Gedenkfeier machte die Aktion schon sehr lohnenswert.

OV Westend/Laim feat. Nymphenburg/Neuhausen (28. April)

Gestern fand wieder ein Treffen des Ortsverbands Westend-Laim statt, wieder einmal zusammen mit dem OV Nymphenburg-Neuhausen. Die Zahl der Anwesenden war mit 8 ziemlich mager, dafür war die Sitzung insgesamt sehr produktiv.

Im Zentrum standen zukünftige gemeinsame Aktionen der beiden OVs. Anfang des Jahres hatten wir ja schon einmal überlegt, einen Vortrag zum Thema ELENA zu organisieren. Von dem Thema haben wir uns allerdings erst einmal wieder verabschiedet: Veranstaltungen eines OVs haben immer eine recht hohe Vorlaufzeit, wohingegen sich gerade bei Elena tagtäglich so viel tut (siehe die Verwassungsbeschwerde des FoeBuDs), dass es fast unmöglich ist, hier etwas zu veranstalten, was nicht sofort wieder veraltet ist.

Zwei „Ersatzthemen“, an denen alle interessiert waren: die Fahrradsituation in München (insb. im Münchner Westen) und die Frage nach einem Informationsfreiheitgesetz bzw. einer Informationsfreiheitssatzung.

Die Informationsfreiheitssatzung wird wohl im Juli in München aktuell – dann beschäftigt sich der Stadtrat voraussichtlich damit. Die Grünen positionieren sich hier für eine solche Satzung (und natürlich auf Landesebene für ein Gesetz) und treiben es auch im Stadtrat voran. Wir wollen das Thema daher auf der Grünen-Stadtversammlung im Juni behandeln, um einerseits die bisherige Meinung noch einmal durch ein Basis-Votum zu bekräftigen, und andererseits das Bewusstsein für diese wichtige Diskussion zu schärfen. Angedacht ist außerdem, Ende des Jahres (Zeitraum September bis November) eine öffentliche Veranstaltung (z.B. eine Podiumsdiskussion) zu dem Thema zu organisieren. Praktisch ist, dass wir hier mit Michael jemandem im OV haben, der sich schon mehr mit dem Thema beschäftigt hat – und unter anderem Beitrag für den Bayerischen Rundfunk erstellt hat, den es auch als Podcast online gibt („Wissen und Macht“, 7. März 2010).

Das Fahrrad-Thema wurde auf der Sitzung noch heißer diskutiert. Brainstorming-mäßig wurden verschiedene Aktionen überlegt, wobei gerade Astrid hier recht kreativ darin ist, ein so „analoges“ Thema mit dem „Web 2.0“ zu verbinden. Zumindest wurde die Notwendigkeit deutlich, uns hier intensiver mit der Stadtratsfraktion auseinanderzusetzen. Zu diesem Zweck soll es Ende Juni oder Mitte Juli dann auch eine Veranstaltung geben, die sich vorrangig an Interessierte innerhalb der Partei richtet. Da sich Hep Monatzeder wohl für eine Aktion in diese Richtung schon einmal angeboten hat, hoffen wir, ihn auch dafür zu gewinnen. Desweiteren wird angestrebt, uns hierzu mit dem ADFC zu vernetzen.

Desweiteren wurden wieder die Stolpersteine diskutiert, für die sich die Grünen schon länger stark machen. Für die nächste OV-Sitzung ist daher angedacht, die Kinofilm-Dokumentation dazu gemeinsam anzuschauen.

Auch die Trambahn-West-Tangente wurde kurz thematisiert, die bei uns in Laim recht stark umstritten ist: aus grüner Sicht ist sie sehr zu begrüßen, wohingegen sich gerade die politischen Lager, die sich vorrangig als Auto-Lobby begreifen, aktiv dagegen mobil machen. Wir wollen uns hier mit dem OV Bogenhausen kurzschließen, die mit einer ähnlichen Situation bereits Erfahrung haben.

Myriam berichtete noch etwas von der Anti-Atomkraft-Demonstration KettenreAktion, die am vergangenen Samstag äußerst erfolgreich verlief – sie und Anna waren wohl irgendwo in der Nordseemetropole Elmshorn stationiert.

Ich selbst berichtet noch von der Gründung des LAK Medien- und Netzpolitik.

Anna und Astrid kündigten noch einmal die kulturelle Radtour am 1. Mai an, das sie zusammen mit den meisten anderen OVs des Münchner Westens (Westend/Laim ist allerdings nicht dabei) organisieren.

Außerdem wurde noch sehr begeistert von diversen Aktionen der Urbanauten und der Aktionskünstlerin Zehra_852 berichtet.

Stadtversammlung der Münchner Grünen (19. April ’10)

Am Montag, den 19. April fand wieder einmal die monatliche Stadtversammlung des Münchner Kreisverbandes der Grünen statt, nach zwei Abstechern in den Münchner Westen diesen Monat wieder im zentralen Sendling. Angekündigt um 19:00 Uhr, begann sie dann nach etwas mehr als 20 Minuten später dann auch wirklich – für Grünen-Verhältnisse also noch relativ pünktlich. Anwesend waren geschätzt 50 Mitglieder und etwa ein dutzend „externe“ Besucher (dazu weiter unten mehr), also insgesamt etwas weniger als sonst.

Als glückliche Fügung stellte es sich heraus, dass ich beim Losgehen zuhause vergessen hatte, den Laptop auszupacken – der Präsentation-Laptop vor Ort funktionierte wohl nicht richtig, womit ich unserem Gast-Redner Herrn Idriz wohl die Präsentation gerettet habe. 🙂

Nikolaus‘ Eröffnungsrede hatte ich wegen diesem kurzfristigen Umorganisieren nur am Rande mitbekommen. Aufgeschnappt habe ich, dass es einen „Datenschutz-Spaziergang“ durch München geben soll, was schon mal recht interessant klingt. Außerdem wurde das 900. Mitglied des Stadtverbandes München geehrt, der vor vor wenigen Tagen Mitglied wurde.

ZIE-M – Zentrum für Islam in Europa / München

Anmoderieren sollte diesen Tagesordnungspunkt, hauptsächlich eine Informationsveranstaltung über ein geplantes islamisches Zentrum in München, wohl ursprünglich Hep Monatzeder. Da er aber wegen des erlahmten Flugverkehrs zurzeit unfreiwillig nicht anwesend war, vertrat ihn Gülseren Demirel von der grünen Stadtratsfraktion. Sie stellte recht allgemein die Gründe vor, aus denen die Stadtratsfraktion das Projekt für unterstützenswert hält: bei geschätzt über hunderttausend Muslimen in München sollen diese ihre Religion offen leben können und heraus aus den Hinterhofmoscheen kommen können; es wäre begrüßenswert, dass Imame auch in Deutschland ausgebildet werden; und dieses konkrete Projekt traue man zu, diese Ziele zu erreichen, da es breite Unterstützung erfährt (Muslime verschiedener Länder initiierten das Projekt, Zustimmung aller wichtiger Stadtratsfraktionen respektive der CSU) und die Initiatoren mit dem Islamischen Forum Penzberg bereits ein gelungenes Projekt vorzuweisen haben.

Ein bisschen genauer stellte das Projekt dann Benjamin Idriz vor, der Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg – aber auch nur ein bisschen: das ganze Projekt ist wohl noch in einem recht frühen Planungsstadium. Das Zentrum soll fünf Bereiche umfassen: eine Akademie, eine Moschee, ein Gemeindezentrum, ein Museum und eine Bibliothek. Es soll unabhängig von den Herkunftsländern der Organisatoren und eventueller Geldgeber sein, und gerade durch die Betonung der Kombination aus Islam, Deutschland und der deutschen Sprache identitätsstifend sein. Idriz wurde auch nicht müde, sich immer wieder zum Grundgesetz zu bekennen (er hatte auch letzten November eine Rede zum 60jährigen Jubiläum gehalten) und auch klassische grüne Themen anzuschneiden (Umwelt, Frauenrechte) – manchen im Publikum ging dieser „Patriotismus“ wohl schon wieder zu weit.

Soweit war alles wie gewohnt angenehm harmonisch. In der anschließenden Diskussion wurden zum einen wieder einige gute Fragen gestellt (Finanzierung, geschlechterspezifische Fragen des Zugangs und der Ausrichtung des geplanten Zentrums, …), zum anderen kamen aber auch eine ganze Reihe an Fragen bzw. in Fragen verpackte Vorwürfe, die recht aktiv den Islam an sich in Frage stellten. Idriz konnte hier auf einige Punkte recht gut antworten, z.B. mit Verweis auf alternative Koran-Übersetzungen (insb. verwies er auf die Übersetzung von Muhammad Asad) und vertrat überzeugend die Position eines aufgeklärten Islams, war aber auch nicht perfekt schlagfertig und ritt ein bisschen zu häufig auf der Sache mit dem bayerischen Verfassungsschutz herum (die aber natürlich nichtsdestoweniger skandalös ist).

Die Diskussion würde dann irgendwann recht wenig elegant abgebrochen – durch einen GO-Antrag von Gülseren auf Beendigung derselbigen. Das löste nicht wenig Befremdung aus, auch wenn der Antrag eine knappe Mehrheit fand: dass Diskussionen nicht bis zum bitteren Ende geführt werden und Diskussionsteilnehmerinnen aktiv ignoriert werden, ist alles andere als Grünen-typisch. Den Hintergrund dafür erfuhr ich dann auch erst nach der Stadtversammlung: unter den Diskutanten befanden sich wohl als Partei-externe Besucher der Stadtversammlung auch einige Vertreter einschlägig bekannter islamophoben Gruppierungen, die auch schon in ähnlichen Veranstaltungen häufiger auffielen. Für die Diskussionsleiter sicher auch keine einfache Situation.

Versöhnlich war dann der Ausgang der zweiten Abstimmung: Der Antrag, das Projekt als Partei zu unterstützen, fand eine große Mehrheit, ohne Gegenstimmen und mit nur drei Enthaltungen.

Google Street View

Nikolaus stellte im Folgenden kurz den von ihm, Hanna und Beppo unterzeichneten Antrag „Google Street View – München widerspricht den Nutzungsmöglichkeiten der Daten seiner Immobilien“ vor. Demnach soll die grüne Stadtratsfraktion beantragen, dass einerseits bei allen Gebäuden der städtischen Beteiligungsgesellschaften der Nutzung der StreetView-Aufnahmen widersprochen werden soll, und dass andererseits die Bürger Münchens seitens der Stadt über ihr Widerspruchsrecht hinsichtlich Google Street View informiert werden sollen.

Auf Wunsch eines Diskussionsteilnehmers im Publikum wurde der Antrag noch um einen Passus ergänzt, die Stadtratsfraktion solle prüfen, inwieweit ein stadtweites Verbot durchsetzbar wäre.

Mich persönlich irritierte bei der gesamten Diskussion etwas, dass zwar in der vorab zugegangenen Begründung des Antrags die Problematik rund um Google Street View korrekt zusammengefasst wurde, es in der Diskussion vor Ort dann aber eher so rüber kam, als ob es ausschließlich darum ginge, Google einfach mal eines auszuwischen.

Der Antrag wurde aber letztlich mit großer Mehrheit angenommen.

Essen an städtischen Kantinen

Den letzten Antrag der Versammlung stellte Hanna vor. An städtischen Kantinen solle demnach zu einem geringerem Fleischkonsum angeregt werden, besonders durch eine jährliche „Veggie-Woche“ und Werbemitteln zu diesem Thema. Als Grund dafür wurde vor allem die Umweltbelastung (insb. CO2-Ausstoß) durch den hohen Fleischkonsum in unserer Gesellschaft vorgebracht, wobei in der anschließenden Diskussion seitens des Publikums darauf hingewiesen wurde, dass es noch viele andere Gründe gibt, den Fleischkonsum einzuschränken.

Eines der „Highlights“ des Abends war der Beitrag eines Partei-externen Besuchers an dieser Stelle, dass doch die ganze CO2-Debatte verfehlt sei, weil es doch eh noch keine Belege für einen Klimawandel gebe, die Studien doch alle gefälscht seien, und so weiter. Schön, dass es Trolle auch außerhalb des Internets gibt. 🙂

Nach ein paar Änderungsvorschlägen an der Antragsformulierung, die auch aufgenommen wurden, wurde der Antrag mit großer Mehrheit verabschiedet.

Schluss

Vor dem Ende der Stadtversammlung wurde noch kurz das gescheiterte Biosphärenreservat im Umland von Garmisch-Partenkirchen thematisiert und damit auch einmal mehr die Entscheidung der Münchner Grünen über die Olympischen Winterspiele 2018 letzten September. Bei der damaligen Entscheidung für Unterstützung der Münchner Bewerbung spielten das zugesagte Biosphärenreservat eine nicht unbedeutende Rolle, weswegen sich wohl gerade die damaligen Kritiker der Bewerbung nun bestätigt sehen. Da Boris Schwartz, der dazu wohl am meisten sagen hätte können, wohl vulkanaschenbedingt ebenfalls nicht anwesend war, wurde das Thema dann aber (auf Antrag auch „definitiv“) auf die nächste Stadtversammlung verschoben.

LAK Medien- und Netzpolitik: Gründungsversammlung

Am Samstag (10. April 2010) fand die Gründungsversammlung des bayerischen Landesarbeitskreises (LAK) Medien- und Netzpolitik der Grünen statt. Der Zeitpunkt war für mich nicht ganz ideal, da ich dadurch einen Teil der Animexx-Convention Animuc in Fürstenfeldbruck verpasste, gelohnt hat es sich aber allemal.

Anwesend waren zehn, später elf Personen, vorrangig aus der Münchner Gegend. Da der LAK zu Beginn noch keine Sprecher hatte, welche die Versammlung leiten hätten können, übernahm das anfangs Alex Burger (der Pressesprecher des Landesverbands). Er berichtete zunächst ausführlich über die Funktionen, Rechte (Antragsrecht, eigenes Budget) und Pflichten (u.a. der jährliche Rechenschaftsbericht) eines LAKs und wies auch darauf hin, was ein LAK nicht darf (z.B. selbstständig Pressemitteilungen verschicken).

Es wurde kurz diskutiert, ob „LAK Medien- und Netzpolitik“ tatsächlich der passende Name für den Arbeitskreis sei, oder ob nicht das allgemeinere „Medienpolitik“ als Überbegriff passender sei; es bestand aber doch ein weiter Konsens, beides explizit zu erwähnen.

Ausführlicher wurde das Thema interne Kommunikation sowie Außendarstellung behandelt. Kaum einer betrachtete die ausschließliche Verwendung der Mixxt-Plattform wie bei der Vorbereitung zur Gründung als ausreichend, die meisten befürworteten eine Mailingliste für den LAK, welche die Tage dann auch eingerichtet wird (da mehrere Mitglieder der Netzbegrünung am LAK mitwirken, geht das wohl recht unkompliziert). Kontroverser diskutiert wurde dagegen, wie offen nach außen die gesamte Kommunikation sein sollte – da wurde meines Wissens nach bislang auch noch keine abschließende Einigung erzielt. Ungeklärt ist auch noch, auf welchen Weg sich der LAK nach außen präsentieren soll (es ist wohl eine Plattform des Landesverbands für LAKs in Planung, die sich dafür anbieten würde; eine Alternative wäre z.B. ein über die Netzbegrünung laufendes System).

Was physischen Treffen angeht, wurde etwa eines pro Quartal gewünscht. Dies kann noch um themenspezifische Treffen einzelner Unter-Arbeitsgruppen ergänzt werden.

Dann ging es ans Thematische. Bei der Vorbesprechung vor knapp zwei Monaten in Ingolstadt hatten wir bereits durch ein ausgedehntes Brainstorming relevante Themengebiete herausgearbeitet – allerdings gleich mehrere Dutzend davon, viel zu viel für einen letztlich doch nur ehrenamtlich agierenden LAK. Es ging also im Folgenden vor allem darum, uns Schwerpunkte herauszupicken. Nach einer halb- bis ganzstündigen Diskussion blieben erst einmal sieben Themen übrig (vorerst immer noch zu viel):

  • Qualitätsjournalismus und Meinungsvielfalt (vor allem bezogen auf die klassische Medienlandschaft)
  • Medienkompetenz und -bildung
  • Datenschutz und -sicherheit
  • Durchsetzung geltenden Rechts im Internet
  • Urheberrecht im Netz
  • Digital Divide
  • Netzneutralität

Die Abstimmung über die Themen (angestrebt wurden drei bis vier Themen) lief nicht nach dem Mehrheitsprinzip. Da Alex Burger einwarf, dass längerfristige Diskussionen über ein Thema nur dann produktiv verlaufen, wenn es auch eine Einzelperson gibt, sie das Thema übernimmt und aktiv vorantreibt, legten wir uns auf die Themen fest, für die sich letztendlich auch LeiterInnen fanden:

  • Sascha Knöchel übernimmt „Qualitätsjournalismus und Meinungsvielfalt“. Themen werden hier die zunehmende Medienkonzentration sein, alternative Vergütungsmodelle für Journalisten sowie die grundlegende Frage, für wie viel Informations-Grundversorgung der Staat zu sorgen hat.
  • Christian Höbusch übernimmt das Thema „Medienkompetenz und -bildung“. Fragestellungen werden hier sein, wie Schülern einerseits und Erwachsenen andererseits der kritische Umgang mit den modernen Medien nahegebracht werden kann.
  • Ilga Fink leitet das Thema „Urheberrecht“. Dieses ist insofern problematisch, als dass es ein klar bundespolitisches, nicht landespolitisches Thema ist und die eigentliche Meinungsbildung der Partei damit auch mehr den Bundesarbeitsgemeinschaften (BAG) obliegt, die sich derzeit intensiv mit dem Thema Kulturflatrate beschäftigen. Wir glauben, hier als LAK möglicherweise frischen „Input“ liefern und damit bei der parteiinternen Meinungsbildung mitwirken zu können.

Nun standen die Wahlen an, die erwartungsgemäß unproblematisch verliefen: für die beiden Sprecher-Posten sowie die Finanzen gab es jeweils eine Bewerbung, die jeweils mit zehn Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen wurde:

  • LAK-Sprecherin: Ilga Fink
  • LAK-Sprecher: Christian Höbusch
  • Finanzen: Tobias Hößl

Weiter waren noch zwei Delegierte sowie zwei Ersatz-Delegierte für die BDK zu wählen. Hier machte sich leider ein gewisser Kandidaten-Mangel bemerkbar. Die aktuelle Besetzung ist:

  • BAG-Delegierter: Sascha Knöchel
  • BAG-Delegierter: Alex Burger übernimmt das Amt kommissarisch, angestrebt ist aber eine paritätische Besetzung.
  • Ersatzdelegierter: Julian Mehnle
  • Ersatzdelegierte: Ilga Fink

Zuletzt wurden noch die weiteren Termine besprochen. Das nächste Mal treffen wir uns demnach am 19. Juni, wobei Nürnberg als Treffpunkt angepeilt wird. Dann der 24. Juli, noch ohne Ortsvorschlag. Am 22. Oktober wird das vermutlich letzte Treffen dieses Jahr stattfinden, in Würzburg am Vorabend zur LDK an diesem Wochenende.

PolitCamp 2010

Es war für mich eine recht spontane Entscheidung, das PolitCamp zu besuchen. Ich hatte ohnehin vor, am Freitag (19. März) die Leipziger Buchmesse zu besuchen, um mich mit einigen Bekannten zu treffen. Erst am Dienstag zuvor bemerkte ich dann, dass das PolitCamp ja passenderweise am darauffolgenden Samstag und Sonntag war, und mit Berlin auch nur einen Katzensprung entfernt.

Leipziger Buchmesse

Die Leipziger Buchmesse hat sich aus meiner Sicht klar gelohnt; feste Termine hatte ich mit Michael Wache (Anime on Demand) und Yasuko Sakaedani (Japanische Botschaft), mit denen ich mich ohnehin immer sehr gut verstehe, außerdem nette Gespräche mit Myriam von den Fireangels, Mille vom Schwarzen Turm und ein kurzes Begutachten des e-Book-Readers txtr. Der Animexx-Stand gab optisch richtig viel her – da ich ja selbst nicht an der Planung und Durchführung beteiligt war, darf ich das hoffentlich sagen, ohne des Eigenlobs bezichtigt zu werden. 🙂

Politcamp

Aber jetzt zum eigentlichen Thema: das PolitCamp, das unter dem Motto „Politik trifft Web 2.0“ lief und zum zweiten Mal stattfand.

Von der Organisationsform war ich zugegebenermaßen etwas überrascht: ich kannte aus diesem Themengebiet bis jetzt fast ausschließlich den Chaos Computer Congress, der ein recht straff durchorganisiertes, im Vorfeld festgelegtes Programm von früh bis spät in die Nacht hat.

Das PolitCamp ist dagegen sehr stark „Bottom Up“ organisiert: ein wesentlicher Teil des Programms wurde erst auf dem Camp selbst festgelegt, einige Sessions fanden völlig spontan statt.

Das Programm verteilte sich auf fünf Räume: ein großer Saal und vier kleinere Workshop-Räume. Im großen Saal fanden vor allem jene Veranstaltungen statt, an denen die „Promis“ teilnehmen (Kristina Schröder, Franziska Heine, Konstantin v. Notz, Volker Beck, etc.; Peter Kruse war angekündigt, musste krankheitsbedingt leider absagen).

Am Anfang beider Tage fand für jeweils eine Stunde die Session-Planung statt: alle, die einen Vortrag oder Workshop halten wollen, stellten ihr Thema kurz auf der Bühne vor; anhand eines kurzen Feedbacks aus dem Publikum (Handzeichen) wurden dann anhand der zu erwartenden Besucherzahl und den technischen Anforderungen der Raum und Zeitslot zugewiesen.

Ein paar persönliche Anmerkungen zu den Vorträgen, die ich besucht habe:

Whistleblowing: Der Referent definierte Whistleblower (Personen, die interne Dokumente oder Informationen aus Firmen oder anderen Organisationen meist anonym veröffentlichen, um dadurch auf Missstände hinzuweisen; klar abzugrenzen von Denunzianten, deren Ziel es ist, sich mit der Macht zu arrangieren) und erklärte die Notwendigkeit von Whistleblowing. Einwände seitens des Publikums gab es vor allem dahingehend, dass das anonyme Publizieren auch dazu genutzt werden könne, mittels Falschinformationen gezielten Rufmord zu begehen; das sei besonders dann gefährlich, wenn die Fehlinformationen gängige Klischees und Vorurteile bedient. Außerdem ist es besonders in kleinen Arbeitseinheiten häufig nicht wirklich möglich, Dokumente anonym zu veröffentlichen.

Datenschutz als Ideologie: Dieser Vortrag empfand ich als einen der Inspirierendsten des gesamten Camps. Christian Heller stellte bewusst provozierend seine Thesen vor, warum der Datenschutz völlig überbewertet, und die Gründe der Datenschützer mitunter gar gefährlich seien („Meine Daten gehören mir“ und Konzepte wie „Digitales Vergessen“ führten implizit zu Konzepten wie „Geistiges Eigentum“ und „DRM“). Ich möchte die Thesen hier gar nicht alle wiederholen – Christian hat sie auch online veröffentlicht und den Vortrag gibt es auch als Stream im Netz (etwa ab 1:56:00). Man muss wohl nicht allen Thesen zustimmen, aber es lohnt sich, einmal diese konträre Position anzuschauen. Und es war herrlich zu sehen, wie einige im Publikum nahezu explodiert sind vor Drang, Christian zu widersprechen…

Politik trifft Web 2.0: In dieser „Elefantenrunde“ wurde das Verhältnis der (Bundes-)Politik zum Web 2.0 diskutiert. Star der Veranstaltung war freilich die „Twitter-Ministerin“ (Spiegel Online) Kristina Schröder, die Grünen waren durch Volker Beck repräsentiert, die FDP durch Müller-Sörenksen, die Linke durch Wawzyniak, außerdem diskutierten noch Martin Stadelmeier und Thomas Knüwer mit. Inhaltlich gibt es zu diesem Panel nur wenig zu  sagen – ich hatte auch nicht wirklich das Gefühl, dass die Inhalte hier irgendwen interessierten, das ganze wurde wohl vor allem als Image-Veranstaltung verstanden.

Witziges Detail am Rande: das BMFSFJ stellte gleich am Samstag noch ein Video von Schröders Auftritt auf dem Panel online. Da der Applaus in real (auf ZapLive etwa um 00:08:20 rum) wohl nicht gereicht hat, wurde anscheinend nachträglich noch etwas mehr hinzugemischt…

Diskussion zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag: Auch ein Vortrag, der mir jetzt inhaltlich wenig Neues geboten hatte (was allerdings auch daran lag, dass ich den Entwurf auf der Hinfahrt einmal genauer mit der bisherigen Fassung verglichen hatte und dadurch schon etwas damit vertraut war), aber zumindest von den Positionen der Diskussionsteilnehmer her teils recht interessant. Überraschend war hier vor allem, dass CDU’ler Jarzombek den Vertrag äußerst scharf kritisierte – im besonderen das Vorgehen, Gesetze praktisch komplett unter Ausschluss der parlamentarischen Ebene zu erlassen. Außerdem bezweifelte er, dass es jemals staatlich anerkannte Jugendschutz-Programme geben könne. Stadelmeier trat als Verteidiger des JMStV auf. Seine Aussage, der JMStV habe keine Transparanz-Probleme, das Vorgehen dahinter sei vielmehr ähnlich Transparent wie bei EU-Verträgen, mochte nicht so richtig überzeugen; fairerweise muss man aber anmerken, dass zumindest ein gewisser Teil der ablehnenden Haltung des Publikums auch daher rührte, dass Stadelmeiers Argumente auch einfach nicht verstanden werden wollten.

Grünes Vernetzungstreffen: Später am Samstag fand ein grünes Vernetzungstreffen statt, auf dem etwa 30-40 Mitglieder und ein paar Interessierte sich gegenseitig bekannt machten. Es wurde kurz eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit besprochen, das Wurzelwerk und die Idee eines „GrünenCamps“. Da für die Diskussion aber nur etwa 15 Minuten Zeit war, da die Vorstellungsrunde bereits eine halbe Stunde dauerte, wurden die Themen nicht weiter vertieft.

Wurzelwerk: Da auf dem Vernetzungstreffen größeres Interesse am Wurzelwerk bestand, meldete Fabian Heil spontan am Sonntag noch einen Workshop zum grünen Mitgliedernetzwerk an. Der Workshop war überraschend gut besucht, auch Mitglieder der Piratenpartei und der SPD interessierten sich offensichtlich dafür. Der Vorstellung folgte eine ausgesprochen interessante Diskussion. Fabian räumte recht freimütig viele Probleme beim Wurzelwerk ein und gab auch eine Vorstellung von den finanziellen Dimensionen des Projekts, der wohl besonders für einige Vertreter der Piratenpartei recht überraschend war. Mir selbst war zum Beispiel neu, dass das Wurzelwerk vor allem auch bereits existierende Insellösungen vereinigen soll und sich dabei in die zentrale Mitgliederverwaltung integrieren muss. Die Piraten bestätigten, gerade bei der Mitgliederverwaltung auch recht ähnliche Probleme zu haben, und auch dem SPD-Vertreter kamen wohl einige Probleme recht bekannt vor.

Diskussionsrunde „Netzneutralität“: Dem Votrag von Markus Beckedahl am Samstag zur Einführung in die Thematik folgte eine größere Diskussionsrunde am Sonntag. Mit Konstantin v. Notz (Grüne), Sebastian Blumenthal (FDP), Peter Tauber (CDU), Matthias Groote (SPD) und Stefan Engeln (vom Internet-Provider 1&1) war die Runde wieder recht hochkarätig besetzt – und dieses Panel war inhaltlich tatsächlich auch recht ergiebig, die Diskussionsteilnehmer konnten ihre unterschiedliche Positionen recht deutlich darstellen:

  • Für Notz (Grüne) ist der neutrale Netzzugang Teil der Daseinsvorge; da die Provider ein kommerzielles Interesse an der Traffic-Regulierung hätten und es in anderen Ländern bereits einige Probleme dahingehend gab (und Skype auch in vielen Mobilfunksystemen blockiert wird, was eben gerade ein Verstoß gegen die Neutralität ist), solle der Staat generell, aber insbesondere in Fällen, in denen Staatssubventionen fließen, auf einen neutralen Netzzugang bestehen.
  • Blumenthal (FDP) sprach sich ebenfalls für Netzneutralität aus; der Staat solle aber erst nicht schon präventiv regulierend eingreifen, sondern erst dann, wenn ein Missbrauch auch tatsächlich festgestellt wurde. Ein Missbrauch ist für ihn dabei nicht automatisch, wenn die Netzneutralität verletzt wird, sondern nur dann, wenn dies geschieht, ohne in den AGBs geregelt zu sein.
  • Für den 1&1-Vertreter ist die ganze Debatte ohnehin nur eine „Scheindebatte“; die Neutralität werde mindestens genauso von den Herstellern proprietärer Mobilfunksysteme bedroht; dass Skype in manchen Mobilfunksystemen blockiert wird, sei auch kein gutes Beispiel für die Verletzung der Netzneutralität, da Skype ja ein proprietäres System sei, das damit selbst nicht neutral sei; außerdem zeige doch gerade die Diskussion um die Netzsperren, dass sich die Politik aus der Regulierung des Internets besser heraus halten solle.

Politik-Bashing und Online-Diskussionskultur: Hier diskutierten die Leiter einiger Online-Magazine (u.a. taz,Vorwärts) darüber, wie sie mit den Nutzer-Diskussionen zu ihren Artikeln umgehen und welche Erfahrungen sie mit Trollen und radikalen Äußerungen gemacht haben. Allzu interessant war das ganze nicht, eben eine Aneinanderreihung von Einzelerfahrungen. Julia Seliger (taz) brachte aber reichlich Würze mit in die Diskussion, indem sie mit Äußerung wie „Ich würde gerne noch sehr viel mehr zensieren“ oder „90% des Internets ist völliger Müll“ (wohl völlig bewusst) das Publikum zum Kochen brachte, und zeitweise noch während der Podiumsdiskussion auf Tweets antwortete…

Fazit

Ich bereue es nicht, aufs PolitCamp gefahren zu sein, bin aber nun auch nicht hellauf begeistert.

Die Organisation des Camps machte einen recht soliden Eindruck. Die Location, ein zum Veranstaltungszentrum umgebautes ehemaliges Pumpwerk, lag leicht zugänglich am Ostbahnhof und sah von außen richtig cool aus. Die Verpflegung war okay – richtig toll war aber, dass es das Mittagessen kostenlos gab. Ein wirklich netter Service, beim ohnehin schon recht moderaten Eintrittspreis von knapp vierzig Euro.

Grundsätzlich hatte ich oft das Gefühl, dass die Teilnehmerzahl von etwa 900 am Samstag doch schon etwas zu hoch war um noch eine wirklich persönliche Atmosphäre aufkommen zu lassen. Am Sonntag war das schon eher der Fall, da waren es geschätzt nur noch etwas mehr als halb so viele.

Als störend empfand ich auch die auch seitens der Organisation forcierte Twitter-Fixierung. Diese kristallisierte sich besonders in einer großen Twitter-Wall hinter der Bühne des großen Saals, die live alle „#pc10“-Tweets anzeigte. Sie motivierte die Zuschauer in ganz besonderem Maße, ständig jede Aussage mitzukommentieren und die Leinwand als Live-Chat über die gerade stattfindende Diskussion zu verwenden – Schirrmacher würde hier seine Thesen zur Konzentration in Zeiten des Internets wohl mehr als bestätigt sehen. Als Mittel um sich kennenzulernen erfüllte Twitter dagegen sehr gute Zwecke – es lernten sich viele erstmals im RL kennen, die sich bisher nur als Follower ihrer jeweiligen Tweets kannten.

Und ich denke, so muss man das PolitCamp auch begreifen: eine Gelegenheit, Leute kennenzulernen und alte Kontakte zu pflegen – die Diskussionspanels stehen dem gegenüber nur an zweiter Stelle.